Bären in freier Wildbahn gibt es in Deutschland schon lange nicht mehr, von Kurzzeitbesuchern wie einst dem „Problembär Bruno“ einmal abgesehen. In vielen anderen Ländern Europas aber leben sie sehr wohl – und dort machen die Bären manchmal Schlagzeilen, die Urlauber beunruhigen können.
Im italienischen Trentino zum Beispiel, wo es immer wieder zu Begegnungen zwischen Bären und Menschen kommt. Vor einigen Wochen wurde dabei ein Tourist verletzt. In der Slowakei wird über den Umgang mit Bären nach mehreren Angriffen gestritten, ebenso in Rumänien, wo ein Bär diesen Sommer eine Touristin in den Karpaten tödlich verletzt hat.
In den rumänischen Karpaten leben laut Regierung rund 8.000 Bären, die zweitgrößte Population in Europa nach Russland. Die Bärenzahl in der Slowakei liegt bei rund 1.100 bis 1.200 Tieren, im Trentino sind es schätzungsweise nur 100. Braunbär-Bestände gibt es unter anderem auch in Spanien, Kroatien und Bulgarien. In Schweden, Norwegen und Finnland geht die Zahl der Braunbären in die Tausende.
Reisende betrifft das Bärenthema dann, wenn sie in Gegenden unterwegs sind, in den die Tiere leben. Auf einer Wandertour zum Beispiel.
Angst müssten sie nicht haben, aber Respekt, sagt Tobias Knauf-Witzens. Er ist leitender Tierarzt im Stuttgarter Zoo Wilhelma. „Man geht auf einer Wanderung durch ihr Wohnzimmer, das muss man Hinterkopf haben.“ Es gilt, rücksichtsvoll und vorausschauend unterwegs zu sein und einige, grundlegende Verhaltensregeln zu beherzigen.
Bestenfalls in kleinen Gruppen wandern und dabei mit Geräuschen auf sich aufmerksam machen, diesen Tipp gibt das Südtiroler Amt für Wildtiermanagement. Falls ein Bär in der Nähe ist, wird er so auf die Wanderer aufmerksam und hat Zeit, sich zurückzuziehen. Was der Bär in aller Regel dann auch tut. Also redet man, singt oder klopft mit dem Wanderstock regelmäßig auf Steine oder Stämme. Lärmen und Johlen sollte man aber nicht, bittet das Amt in seinem online verfügbaren Ratgeber. „Das bringt unnötige Unruhe in die Natur.“
Besondere Vorsicht sei entlang von Bächen geboten, da das Rauschen des Wassers die Geräusche der Wanderer oft übertöne und der Bär die herannahenden Menschen überhören könnte, warnen die Experten von der Südtiroler Landesverwaltung. Hunde wiederum sollten in Bärengebieten immer angeleint sein. Laufen sie frei durch den Wald, könnten sie die Wanderer sonst sogar unfreiwillig zu einem Bären führen.
„Das Wichtigste ist, dass der Bär nicht erschreckt wird“, sagt Zootierarzt Knauf-Witzens. Darum gilt es, sich bemerkbar zu machen, sodass einen das Tier frühzeitig wahrnimmt und man nicht um die Ecke kommt und plötzlich vor dem Bären steht.
Mit Blick auf die getötete Wanderin in Rumänien vermutet der Experte, dass so etwas passiert ist. Dass also der Bär wahrscheinlich nicht mitbekommen habe, dass sie heran gewandert kam. Und wenn man direkt vor dem Bären, in dessen Angriffsdistanz, auftaucht, kann es passieren, dass dieser angreift.
„Der Bär orientiert sich hauptsächlich am Geruch und am Hören“, sagt Knauf-Witzens. Sehen tut das Tier dagegen vergleichsweise schlecht.
Weil Geräusche helfen sollen, dass Bären sich zurückziehen, ist auch immer wieder der Tipp zu lesen, Glöckchen am Rucksack oder den Schuhen zu tragen. Beim Südtiroler Wildtiermanagement sieht man das anders: Glocken am Rucksack seien im Berggebiet nicht geeignet, weil der Bär das mit Nutztieren und so mit möglicher Nahrung in Verbindung bringen könnte. Spezielle Bärenglocken ähnelten in ihren Frequenzen zudem oft auch Vogelstimmen oder anderen Geräuschen in der Natur und würden dadurch von Bären nur ungenügend wahrgenommen.
Weil die Bären gut riechen können, gilt vor allem beim Campieren: Essen lieber nicht im Zelt lagern, sondern im Zweifel woanders, zum Beispiel in einigen Metern Abstand in einen Baum gehängt. „Gerade in Nordamerika ist das ein Rat, den ich geben würde“, sagt Knauf-Witzens. Sonst könnte es sein, dass man nachts ungebetenen und potenziell gefährlichen Besuch von einem Grizzly auf Futtersuche bekommt. In Alaska sollen rund 30.000 Grizzlys leben, in Kanada sind es rund 16.000, in den anderen US-Staaten sind es nur rund 1.000.
Insbesondere vor längeren Touren durch Gebiete mit Bärenpopulation rät der Fachmann dazu, lokale Guides nach ihren Erfahrungen zu fragen: „Die kennen sich am besten aus und wissen auch, ob und wo es Probleme geben könnte.“
Der beste Fall ist, dass man einen Bären mit großem Abstand erspäht. Dann kann man dieses Naturereignis einfach genießen. Als grobe Richtschnur für die in Europa heimischen Bären gibt das Südtiroler Wildmanagement hier Distanzen von mehr als 100 Metern an. Näher rangehen sollten Wanderer auf keinen Fall.
Nach dem Genuss des Augenblicks stellt sich die Frage: Weitergehen oder Umkehren? Eventuell gibt es Umgehungsmöglichkeiten. Ist der Bär auf einem Weg, denn man passieren muss: mit Geräuschen auf sich aufmerksam machen. „Bei Krach wird der Bär aufmerken und einen anschauen. Er wird dann vermutlich in den Wald abdrehen“, sagt Zootierarzt Knauf-Witzens. Ins Beutespektrum des Bären fällt der Mensch nämlich im Allgemeinen nicht.
Kommt der Bär näher, sollte man keinen ruckartigen Bewegungen machen und nicht wegrennen. „Wenn man losläuft“, so der Fachmann, „löst das einen Reflex beim Bären aus und er rennt vermutlich hinterher. Und ein Bär ist schneller als ein Mensch, da braucht man sich nichts vormachen.“ Stattdessen mit ruhiger Stimme sprechen und sich groß machen, damit der Bär einen als Mensch erkennt. Währenddessen langsam rückwärtslaufen, um Distanz aufzubauen.
Greift der Bär an und man kommt nicht mehr weg, hilft laut Knauf-Witzens nur noch: sich auf den Boden legen, die Hände hinter den Kopf nehmen, um seinen Nacken zu schützen – und hoffen, dass der Angriff schnell aufhört und der Bär von einem ablässt.
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