Prozess: Arzt soll betäubte Patientinnen vergewaltigt haben | FLZ.de

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Veröffentlicht am 07.01.2025 14:36, aktualisiert am 07.01.2025 16:48

Prozess: Arzt soll betäubte Patientinnen vergewaltigt haben

Der Angeklagte versteckte zu Prozessbeginn sein Gesicht. Er bestreitet die Vorwürfe.  (Foto: Matthias Balk/dpa)
Der Angeklagte versteckte zu Prozessbeginn sein Gesicht. Er bestreitet die Vorwürfe. (Foto: Matthias Balk/dpa)
Der Angeklagte versteckte zu Prozessbeginn sein Gesicht. Er bestreitet die Vorwürfe. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Es sind schockierende Vorwürfe: Über Jahre soll ein Münchner Arzt betäubte Patientinnen vergewaltigt haben. Laut Staatsanwaltschaft verging er sich an ihnen, während sie bei Darmspiegelungen wehr- und bewusstlos auf dem Behandlungstisch lagen. Der 52 Jahre alte Gastroenterologe bestreitet das. Er selbst sagt zu Prozessbeginn am Landgericht München I zwar nichts zu den Vorwürfen, seine Anwältin aber weist sie in einer Erklärung „vollumfänglich“ zurück: „Er hat sich immer an alle medizinischen Grundsätze gehalten.“ 

Ehemalige Mitarbeiterinnen des Mannes sehen das anders: Vier medizinische Fachangestellte geben laut Staatsanwaltschaft an, der Arzt habe die Darmspiegelungen, bei denen sie als Assistentinnen anwesend waren, genutzt, um immer wieder seinen Finger in die Vagina der jeweiligen Patientin einzuführen, ohne dass es dafür einen medizinischen Grund gab und ohne dass die betroffenen Frauen es bemerkten oder sich dagegen wehren konnten. 

Der 52-Jährige saß zeitweise in Untersuchungshaft, inzwischen wurde der Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. 19 Fälle hat die Staatsanwaltschaft angeklagt. Ihm wird Vergewaltigung und sexueller Missbrauch vorgeworfen. Die mutmaßlichen Taten erstrecken sich über vier Jahre von 2017 bis 2021. 

„Ich hab die Gewalt über Dich, Du liegst da grad.“

Die mutmaßlichen Opfer seien „junge, schlanke Frauen“ gewesen, sagt eine 36-Jährige, die eine dieser vier Zeuginnen ist. Oft seien diese Frauen stärker mit Propofol sediert worden, weil der Arzt sie als schwierige Fälle eingestuft habe. „Die Patientinnen wurden sehr oft nachgespritzt, dass sie auch wirklich tief und fest schlafen“, sagt sie.

Was die Motivation des Angeklagten gewesen sein könne, wisse sie auch nicht. Es seien immer nur sehr kurze Momente gewesen. Vielleicht habe der Mediziner seine Macht ausüben wollen, mutmaßt sie: „Ich hab die Gewalt über Dich, Du liegst da grad.“ 

Auch als sie ihre Beobachtungen mit einer Kollegin teilte und diese ähnliche machte und auch als eine Patientin sie nach der Darmspiegelung gefragt habe, ob ein Brennen in der Scheide normal sei, habe sie sonst niemandem etwas gesagt. Das bereue sie heute und erklären könne sie sich das auch nicht. „Man will das nicht wahrhaben“, sagt sie. „Wer glaubt mir? Wie hätte ich es in dem Fall beweisen können?“

Verteidigung vermutet Verschwörung

Auch als immer mehr Mitarbeiterinnen ähnliche Beobachtungen gemacht hätten, habe sie den Mann nicht angezeigt - auch nicht, nachdem sie gekündigt hatte und er nicht mehr ihr Chef war.

Da setzt die Verteidigerin des Angeklagten an. Sie wittert eine Verschwörung zwischen den Fachangestellten und dem Arzt-Kollegen des Mannes, mit dem er die gastroenterologische Gemeinschaftspraxis in München führte. 

Dass Mitarbeiterinnen, die bei den Darmspiegelungen anwesend waren, diese Vorwürfe gegen ihren Chef erheben, könne daran liegen, dass der Arzt einen Streit mit seinem Kollegen um die Praxisgemeinschaft hatte und die Mitarbeiterinnen diesem Kollegen näher standen als ihm. 

Neun Verhandlungstage

Ziel der Anschuldigungen könne gewesen sein, „ihn nicht nur aus seiner Praxis, sondern auch aus seinem Beruf zu drängen“, sagte die Anwältin. „Das ist die einzige Erklärung, die man dafür hat.“ Nur so sei auch zu erklären, dass die Vorwürfe erst Jahre nach den ersten mutmaßlichen Taten im Jahr 2017 erhoben wurden. Die erste Zeugin weist dies zurück. „Es belastet uns ja all die Jahre jetzt schon“, sagt sie. „Wir haben das lange genug totgeschwiegen.“ 

Das Gericht hat neun Verhandlungstage angesetzt, das Urteil könnte damit am 31. Januar fallen.

© dpa-infocom, dpa:250107-930-336948/2


Von dpa
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