Was die deutsche Industrie am meisten will, hat bei der Ministertreffen der Welthandelsorganisation (WTO) in Abu Dhabi wohl keine Chance: Das seit vier Jahren teils blockierte System zur Schlichtung von Handelsstreits bleibt nicht voll handlungsfähig.
„Wir sind noch nicht so weit“, räumte die WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala im Laufe der Verhandlungen ein und machte klar, dass eine Einigung während der Tagung nicht erreicht wird. Auch bei anderen strittigen Punkten wie Zölle auf elektronische Übertragungen und Fischereisubventionen gab es zunächst keinen Durchbruch.
Das WTO-Sekretariat beschloss am Abend, die Konferenz bis morgen zu verlängern. Die Abschlusssitzung soll um 14.00 Uhr (11.00 Uhr MEZ) stattfinden. Schwer sind Einigungen unter anderem, weil die inzwischen 166 WTO-Mitgliedsländer stets im Konsens entscheiden müssen.
Die USA halten an der Blockade der Berufungsinstitution der Streitschlichtung fest, weil sie umfangreiche Reformen wollen. Deutsche Industrieverbände hatten im Vorfeld klare Fortschritte von den WTO-Mitgliedsländern gefordert. „Jeder sollte sich bewusst machen, welchen Wert das WTO-System für die globale Entwicklung und das Leben der Menschen weltweit hat“, sagte Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), vor der Konferenz. „Für exportorientierte Unternehmen in Deutschland sind faire Wettbewerbsbedingungen, Marktzugang und Rechtssicherheit im Auslandsgeschäft von herausragender Bedeutung“, teilte die Deutsche Industrie- und Handelskammer mit. Sie forderte Maßnahmen zur Bekämpfung der Fragmentierung des Welthandelssystems.
WTO-Reform: 31 Länder haben bei Handelsstreitigkeiten gegen Urteile der ersten Schiedsgerichtsinstanz Berufung eingelegt, obwohl es keine Berufungsinstanz mehr gibt. Dazu gehört Indonesien, das in einem Streitfall über Beschränkungen der Exporte von Nickel und anderen Rohstoffen gegen die EU unterlegen war. Die Fälle liegen dann auf Eis. Weil die USA und andere auf umfassende Reformen pochen, ist eine Einigung noch in der Ferne.
Elektronischer Handel: Seit 1998 besteht die Vereinbarung, keine Zölle auf elektronische Übertragungen wie bei Streamingdiensten zu erheben. Dieses Moratorium würde ohne eine Verlängerung in diesem Jahr auslaufen. Vor allem Indien und Südafrika standen der Einigung auf eine Verlängerung im Wege. Ihnen entgingen wichtige Einnahmen, wenn etwa Bücher, auf die Zölle fällig sind, durch E-Books, die heruntergeladen werden können, ersetzt werden.
Fischerei-Subventionen: Nach rund 20 Jahren Verhandlungen hatten sich die WTO-Mitglieder 2022 auf ein erstes Abkommen geeinigt, dass die schädlichsten Subventionen eindämmen soll. Rund 70 Länder sind beigetreten, darunter die EU, es tritt aber erst bei 110 Ratifizierungen in Kraft. Das neue Abkommen soll alle Subventionen regulieren, die zu Überfischung und Überkapazitäten beitragen. Verhandelt wurde über Ausnahmen und Übergangszeiten für Entwicklungsländer.
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