Angesichts der wachsenden Rivalität mit China sollen in der EU vier sicherheitsrelevante Technologiebereiche bis Jahresende einer umfassenden Risikoanalyse unterzogen werden. Nach Angaben der Brüsseler Behörde geht es um Technik und Wissen für Künstliche Intelligenz (KI) und moderne Halbleiterprodukte sowie um Bio- und Quantentechnologien.
Je nach Ausgang der Analyse sollen dann in weiteren Schritten Schutzmaßnahmen veranlasst werden. Dies könnten zum Beispiel Exportkontrollen sein, aber auch Bemühungen, die Abhängigkeit von bestimmten Zulieferern zu reduzieren.
Es gehe darum, die strategischen Interessen und die Sicherheit der EU zu bewahren, sagte der zuständige EU-Kommissar Thierry Breton in Straßburg. Auch Partnerstaaten wie die USA, Großbritannien, Australien und Japan gingen ähnlich vor.
Ausgewählt wurden die vier Technologiebereiche nach Angaben der Kommission auf Grundlage einer Liste konkreter Kriterien. Zu ihnen gehört das Potenzial, dass die Technologien für grundlegende Veränderungen der Wirtschaftswelt haben. Zudem geht es um die Frage, inwiefern die betreffenden Technologien auch militärisch oder zur Einschränkung von Grundrechten wie der Meinungsäußerungsfreiheit genutzt werden könnten.
Als ein Beispiel für den missbräuchlichen Einsatz von Künstlicher Intelligenz gelten Instrumente, die über soziale Netzwerke und das Internet die öffentliche Meinung in Wahlkämpfen manipulieren könnten.
Die Risikoanalyse soll gemeinsam mit Experten aus den Mitgliedstaaten vorgenommen werden. Geplant sind den Angaben zufolge auch Konsultationen mit Akteuren aus der Privatwirtschaft - unter Zusicherung absoluter Vertraulichkeit.
Die vorgestellten Pläne sind Teil einer Strategie für wirtschaftliche Sicherheit. Über sie sollen Risiken minimiert werden, die sich im Kontext zunehmender geopolitischer Spannungen und eines beschleunigten technologischen Wandels ergeben. Zugleich soll sie aber ein Höchstmaß an wirtschaftlicher Offenheit und Dynamik wahren.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zuletzt wiederholt den Standpunkt vertreten, dass sich die Politik der EU gegenüber China ändern müsse. Das Land hat sich demnach wegbewegt von einer Reform- und Öffnungspolitik hin zu einer Sicherheits- und Kontrollpolitik, auf die reagiert werden muss.
Zugleich betont von der Leyen immer wieder, dass eine Abkopplung von China aus ihrer Sicht weder machbar noch im Interesse Europas ist. Deswegen sollte man zum einen die Kommunikationskanäle offen halten und mit China bei Themen wie Klimawandel, Pandemie-Vorsorge und Finanzstabilität zusammenarbeiten. Zum anderen gehe es darum, dass die EU unabhängiger werde und wirtschaftliche Risiken, etwa in Lieferketten europäischer Firmen, minimieren.
Teil des größeren Konzepts ist auch ein neues Sanktionsinstrument, dem das Europaparlament zustimmte. Es soll zum Beispiel Strafzölle gegen Drittländer ermöglichen, die mit wirtschaftlichen Maßnahmen in unzulässiger Weise in die politischen Entscheidungen der EU oder der EU-Mitgliedstaaten einzugreifen versuchen.
Grund für die Einführung des neuen Instruments ist, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten in den vergangenen Jahren zum Ziel bewussten wirtschaftlichen Drucks geworden sind. So verhängte beispielsweise China Handelsbeschränkungen gegen Litauen, die aus europäischer Sicht nicht mit den Regeln der Welthandelsorganisation vereinbar waren und sich auch auf andere Ausfuhren aus dem EU-Binnenmarkt auswirkten.
© dpa-infocom, dpa:231003-99-426177/5