Morgens zum Start in den Tag, als Energieschub auf der Arbeit oder nachmittags zur Entschleunigung. Kaffee in all seinen unzähligen Varianten ist so beliebt wie nie zuvor. Jeder Kaffeetrinker pflegt seine eigenen Rituale. Hier verraten zwei Baristas, worauf es bei der Kaffeezubereitung ankommt und wie Zuhause ein richtig guter Kaffee gelingt.
„Es gibt wenig Wichtigeres, wenn es um Kaffee geht, als die Frische meiner Zutaten“, sagt Horst Dietrich, Barista, Kaffeecoach und Blogger (einfachmalkaffee.com). Hochwertige, frisch geröstete Bohnen sind essenziell für eine köstliche Tasse Kaffee.
Nach dem Rösten tickt die Uhr
Wobei „frisch“ geröstet den Zeitraum des Geschmacksoptimums meint und der ist circa zwei bis acht Wochen nach der Röstung, so Dietrich. Für Jan-Christoph Prell, Kaffeeröster und Barista (hannsson.de) kann sich der Zeitraum auf bis zu vier Monate nach dem Rösten erstrecken.
Für beide Barista ist die Kaffeemühle das bedeutendste Gerät beim Kaffeekochen. Ja, die Mühle und nicht die Maschine. Optimal ist es, die Bohnen direkt vorm Kochen zu mahlen. Dietrich weist darauf hin, dass Kaffeepulver bereits 15 Minuten nach dem Mahlen die Hälfte seiner Aromen verliert.
Wer Filterkaffee trinken will, mahlt die Bohnen etwas gröber. „Als Richtlinie kann man sich an Meersalz und Speisesalz orientieren. Das Pulver sollte eine Stufe dazwischen haben“, sagt Prell. Pulver für Espresso hingegen darf fein gemahlen werden.
Wie viel Pulver sollte man für eine Tasse nehmen?
Für Filterkaffee empfiehlt Barista Prell 7 g Kaffeepulver auf 100 ml Wasser. Das ist ein guter Ausgangspunkt: Je nach Geschmack darf mit mehr oder weniger Pulver experimentiert werden. Der Filterkaffee läuft in zwei bis vier Minuten durch. Wer Espresso trinken möchte, kocht besser gleich einen doppelten, raten Dietrich und Prell unisono: bei 18-20 g Pulver sollten 40-60 ml Getränk in der Tasse landen.
Bitter oder Sauer? Der Mahlgrad entscheidet
Ein Espresso läuft in 25-30 Sekunden durch. Warum das von Bedeutung ist? Wasser löst zu Beginn die Säuren aus dem Pulver und zum Ende der Durchlaufzeit die Bitterstoffe. Schmeckt der Kaffee zu sauer, kann ein Grund dafür sein, dass das Wasser zu schnell durchgelaufen ist. Schmeckt der Kaffee bitter, kann es zu langsam durchgelaufen sein.
Steuern lässt sich die Durchlaufzeit über den Mahlgrad. Gröber gemahlenes Pulver lässt das Wasser schneller durchlaufen, fein gemahlenes langsamer. Schmeckt der Espresso sauer und ist zu schnell durchgelaufen? Dietrich rät es mit feiner gemahlenem Pulver zu probieren.
Ein bisschen tricksen mit Zucker oder Salz
Das Zusammenspiel von Säure und Bitterstoffen: Das Ziel beim Kaffeebrühen ist die Balance zwischen Säure und Bitterstoffen. Was so theoretisch klingt, braucht niemanden abzuschrecken, so die Baristas. Denn die meisten Kaffeegenießer würden intuitiv erfassen, ob das Gleichgewicht zwischen sauer und bitter stimmt und sich die Aromen optimal entfalten. Stimmt es nicht, darf ein bisschen getrickst werden.
Mit Zucker schmeckt der Kaffee weniger bitter, die Säure hingegen bleibt erhalten. Eine Prise Salz ins fertige Getränk streuen, hilft ebenfalls den bitteren Geschmack abzumildern. Und auch der Schuss Milch puffert die bitteren Noten ab.
Je fettiger die Milch, umso cremiger der Kaffee
Apropos Milch, für Cappuccino, Latte Macchiato und Co ist Milch unerlässlich. Je mehr Fett die Milch enthält desto cremiger schmeckt die Kaffeespezialität. Wie gut sich Milch aufschäumen lässt, hängt jedoch nicht mit dem Fett- sondern mit dem Proteingehalt der Milch zusammen. Der sollte bei 3,2-3,8 Prozent Protein liegen. Kuhmilch fällt in diesen Bereich.
Bei Milchersatzgetränken, zum Beispiel aus Hafer, empfehlen Dietrich und Prell sogenannte Barista-Editionen zu kaufen. Die Barista-Editionen sind mit Proteinen angereichert und lassen sich, im Gegensatz zum normalen Milchersatzgetränk, gut aufschäumen.
Der Vollautomat: Kaffee aus dem Tausendsassa
Er mahlt, brüht und schäumt auf. Ein Kaffeevollautomat steht laut Statistischem Bundesamt in fast jeder vierten Küche (24 Prozent) und übernimmt die gesamte Arbeit. Doch was kann man tun, wenn das Getränk aus der Maschine nicht so recht überzeugt? Im ersten Schritt würden die Profis über die verwendeten Bohnen nachdenken. Auch der beste und teuerste Vollautomat kann aus qualitativ schlechten Bohnen kein gutes Getränk zaubern, so Kaffeeröster Prell.
Es lohne, sich in einer handwerklichen Rösterei beraten zu lassen und zu testen. Hat man seinen Lieblingsgeschmack gefunden, können man meist online nachordern. Stimmen die Bohnen, kann man auch noch die Einstellungen des Automaten anpassen. „Den Mahlgrad so fein wie möglich wählen“, rät Dietrich.
Und die Wassertemperatur zum Brühen auf die höchste Temperaturstufe stellen, ergänzt Prell. Die optimale Wassertemperatur zum Kaffeekochen liegt bei 92 bis 96 Grad. Nur bei sehr dunkel, fast schwarz gerösteten Bohnen für Espresso sollte eine niedrigere Temperatureinstellung am Gerät gewählt werden.
Im letzten Schritt können noch Pulver- oder Wassermenge angepasst werden. Ist der Kaffee zu dünn, entweder die Dosierung des Pulvers erhöhen oder die Wassermenge pro Tasse verringern, je nachdem welche Einstellungen die Maschine zulässt.
Der Geheimtipp der Baristas: Espresso-Tonic
Wer auf der Entdeckungsreise zu richtig gutem Kaffee etwas Neues ausprobieren möchte, dem legen beide Baristas Espresso-Tonic ans Herz. Espresso kochen und auf einen Eiswürfel in der Tasse laufen lassen. In ein anderes Glas reichlich Eiswürfel geben und mit Tonic Water auffüllen. Den Espresso über die Eiswürfel ins Glas laufen lassen. Schmeckt spritzig und erfrischend.
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