Scholz: „Ein Böllerverbot finde ich irgendwie komisch“ | FLZ.de

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Veröffentlicht am 04.01.2025 03:03, aktualisiert am 04.01.2025 10:12

Scholz: „Ein Böllerverbot finde ich irgendwie komisch“

Nach der Silvesternacht mit vielen Böllerschäden und Gewalt werden Rufe nach Konsequenzen lauter. (Archivbild) (Foto: Julius-Christian Schreiner/TNN/dpa)
Nach der Silvesternacht mit vielen Böllerschäden und Gewalt werden Rufe nach Konsequenzen lauter. (Archivbild) (Foto: Julius-Christian Schreiner/TNN/dpa)
Nach der Silvesternacht mit vielen Böllerschäden und Gewalt werden Rufe nach Konsequenzen lauter. (Archivbild) (Foto: Julius-Christian Schreiner/TNN/dpa)

Ein bundesweites Böllerverbot als Reaktion auf Todesfälle und Schäden in der Silvesternacht wird es vorerst nicht geben. „Die richtige Antwort sind nicht bundesweite Feuerwerks-Verbote, sondern mehr gezielte Handlungsmöglichkeiten vor Ort“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD) sprach sich gegen ein Böllerverbot aus. Städte und Gemeinden in Deutschland fordern indes von Bund und Ländern als Konsequenz aus Gewalt zu Silvester mehr Grenzkontrollen und ein Waffenverbot.

Scholz sagte dem Magazin „Stern“: „Ich bin dafür, dass wir ordentliche Regeln haben für das Zeug, das da hergestellt wird. Aber ein Böllerverbot finde ich irgendwie komisch.“ Faeser ergänzte: „Dabei sollte das Ziel sein: Friedliches Feiern und Feuerwerk zu ermöglichen, aber hochgefährliche Silvester-Exzesse zu verhindern.“ Zum Jahreswechsel hatten vor allem sogenannte Kugelbomben schwere Schäden angerichtet. Sie sind wegen ihrer hohen Explosionskraft hierzulande nicht für den Allgemeingebrauch zugelassen.

Was steht im Sprengstoffrecht?

Das Sprengstoffrecht erlaubt das Abbrennen von Pyrotechnik am 31. Dezember und am 1. Januar. An allen anderen Tagen ist das nur mit einer Sondergenehmigung gestattet. Die Berliner Sozialverwaltung weist darauf hin, dass nur das Bundesinnenministerium Änderungen am Sprengstoffrecht vornehmen könne.

Faeser schlägt vor, den Kommunen mehr Handlungsspielräume für lokale Verbotszonen zu geben. Dafür müsse es aber eine Mehrheit unter den Ländern im Bundesrat geben, die bislang fehle. „Hinsichtlich der Gefährlichkeit gibt es große Unterschiede zwischen dicht bewohnten Städten und dem Land – und innerhalb von Städten zwischen einzelnen Brennpunkten und Stadtteilen, in denen friedlich gefeiert wird. Wenn das vor Ort stärker berücksichtigt werden kann, kann es gezieltere Maßnahmen und Kontrollen geben.“

Zuletzt hatte Bremen im Bundesrat eine Gesetzesinitiative für eine Änderung des Sprengstoffrechts eingebracht, um den Kommunen mehr rechtliche Möglichkeiten zum Einschränken von privatem Feuerwerk zu geben. Rund um den Jahreswechsel starben fünf Männer bei Böller-Unfällen. Es gab viele Verletzte sowie Schäden an Häusern und Infrastruktur.

Berlins Innensenatorin für „Pyro-Erlaubniszonen“

Berlins Innensenatorin Iris Spranger hatte für ein generelles Böllerverbot in Deutschland plädiert, sieht dabei aber in erster Linie den Bund in der Pflicht. Gleichzeitig fordert die SPD-Politikerin Änderungen im Sprengstoffrecht, die den Bundesländern erlauben, an festgelegten Orten Ausnahmen von dem Verbot zu gestatten. Sie sprach von „Pyro-Erlaubniszonen“, in denen das Abbrennen von Feuerwerk gestattet ist. 

Auch die Gewerkschaft der Polizei macht sich für ein bundesweites Böllerverbot und ein Verkaufsverbot für Pyrotechnik stark. Sie warnt davor, alljährlich nach Silvester und Neujahr darüber „Scheindebatten“ zu führen. 

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) gab aber im WDR zu bedenken: Zur Kontrolle eines generellen Böllerverbots müsste an jeder Ecke ein Polizist stehen. „Das schaffen wir ja nicht mal im Fußballstadion.“ Es sei ein bisschen zu einfach, ein Böllerverbot zu fordern. „Das Problem ist komplizierter.“ Es habe sich gezeigt, dass sich die Lage in den vergangenen Jahren etwas verbessert habe, sagte Reul. „Aber wir haben immer noch Probleme, offensichtlich weil Menschen sich nicht benehmen können.“

Der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes, Volker Geyer, rief die Politik zum Handeln auf. Er sagte der „Rheinischen Post“ (Samstag): „Es darf sich bei den Tätern nicht festsetzen, dass sie ungeschoren davonkommen, weil der Staat nicht handlungsfähig ist.“ Man müsse die Justiz personell so ausstatten, dass sie die Täter auch zur Rechenschaft ziehe und nicht Verfahren wegen Überlastung von Gerichten eingestellt würden.

Gewalt zu Silvester - Konsequenzen gefordert

Für Diskussionen sorgten auch Fälle von Gewalt gegen Einsatzkräfte. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Der Staat darf nicht tolerieren, dass eine kleine gewaltbereite Minderheit mit erheblicher krimineller Energie rund um Silvester ganze Stadtteile terrorisiert.“ Polizei und Rettungskräfte müssten häufiger mit Bodycams zum Aufzeichnen von Übergriffen ausgestattet sein. Zudem sprach er sich für mehr Grenzkontrollen rund um Silvester aus.

Faeser stellte klar: Gegen „Chaoten und Gewalttäter“ an Silvester brauche es vor allem die notwendige Härte von Polizei und Justiz. „Deshalb war es gut, dass allein in Berlin mit 400 Festnahmen durchgegriffen wurde und jetzt Strafverfahren folgen. Trotzdem wurden Rettungskräfte und Polizisten attackiert und Menschenleben durch hochgefährliche Kugelbomben und andere verbotene Pyrotechnik gefährdet.“ 

Die Ministerin verwies auf Vorschläge für neue Strafvorschriften, mit denen die gesamte Vertriebskette von illegalem Feuerwerk, von Händlern und Transporteuren bis zum Käufer, erfasst werden solle. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass der Bundestag wenige Wochen vor Neuwahlen noch viele Vorschläge der scheidenden Bundesregierung passieren lässt.

© dpa-infocom, dpa:250104-930-334375/3


Von dpa
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