Mikaela Shiffrin tut alles, um nicht an diese magische 100 zu denken. Und auch wenn ihr auf den Skipisten fast alles gelingt, so ist es natürlich unmöglich, vor den Nordamerika-Rennen nicht darauf angesprochen zu werden. Die Ausnahmesportlerin kann als erster Mensch die Schallmauer von 100 Siegen im alpinen Weltcup brechen. Und das auch noch bei den Heim-Events am Wochenende in Killington. Hollywood hätte sich kein kitschigeres Drehbuch ausdenken können.
Nachdem Shiffrin bereits die ersten Slaloms des Winters in Levi und in Gurgl gewonnen hat, zweifelt kaum noch jemand daran, dass die 100 im US-Bundesstaat Vermont fällt. Am Samstag steht ein Riesenslalom an (16.00 und 19.00 Uhr/MEZ/Eurosport und ZDF Livestream), tags darauf mit denselben Startzeiten der Slalom - Shiffrins Paradedisziplin.
„Es ist nicht unmöglich“, sagte die 29 Jahre alte Shiffrin zuletzt auf die Frage nach den Chancen auf ein rundes Sieg-Jubiläum vor heimischem Publikum. „Aber es müssen viele Dinge zusammenpassen. Ich nehme das nicht als selbstverständlich hin.“
Das ist einerseits natürlich richtig, andererseits aber auch sehr tief gestapelt. Denn wenn Shiffrin im vergangenen Jahrzehnt etwas gezeigt hat, dann, dass sie überall die Schnellste sein kann. Und immer wieder Siege aneinanderreiht, als sei es das Normalste auf der Welt, zuletzt etwa sechs Slalom-Erfolge nacheinander.
„Da fällt einem nichts mehr ein, das ist unfassbar. Sie ist mit Abstand die Größte aller Zeiten“, sagte Ex-Alpin-Star Felix Neureuther der Deutschen Presse-Agentur. „Für sie gibt es keine Grenzen. Ich traue ihr alles zu. Ich hätte nie gedacht, dass jemand mal 100 Siege im Weltcup feiern kann. Und sie wird auch die Einzige bleiben - ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es jemals wieder so jemanden geben wird.“
Shiffrins Weltcup-Statistiken sind phänomenal:
In Killington, wo der Weltcup-Tross der Frauen am Wochenende Station macht, werden seit 2016 Rennen ausgetragen. Bei sieben Slaloms hieß die Siegerin sechsmal Shiffrin. „Ich versuche mich zu fokussieren und mein Bestes zu geben“, kündigte die Amerikanerin an.
Der Druck wird freilich groß sein auf die Wintersport-Heldin, die Skifahren in den USA auf ein anderes Niveau gehoben hat. Und es war stets eine besondere Zusatzaufgabe für Shiffrin, damit umzugehen. Jahrelang passierte es ihr - gerade auch in Killington - dass sie sich zwischen den zwei Läufen vor Aufregung und Nervosität übergeben musste.
Inzwischen hat sie gelernt, besser damit umzugehen. „Es ist bewundernswert, wenn man so im Rampenlicht und so im Fokus steht, dass man trotzdem so bei sich bleibt“, sagte Shiffrins deutsche Rivalin Lena Dürr zuletzt im Bayerischen Rundfunk. „Sie hat sehr früh gelernt, damit umzugehen und den Weg für sich zu finden. Um dann in den Momenten, wo der Druck für sie von außen groß ist, trotzdem damit klarzukommen.“
Ihren ersten Weltcup-Erfolg feierte Shiffrin im Dezember 2012 im Alter von 17 Jahren, nur wenige Monate später holte sie ihre erste von sieben WM-Goldmedaillen. Mit 18 Jahren wurde sie Olympiasiegerin in Sotschi. „Was mich an ihr fasziniert, ist, dass sie in jungen Jahren schon so gut war und sich trotzdem immer wieder neu motiviert und neu erfindet. Sie hätte längst sagen können: Ich habe alles gewonnen und höre auf. Aber sie verbessert sich immer weiter“, lobte Neureuther.
Nun steht Shiffrin, die von einem großen Team an Trainern und Betreuern inklusive ihrer Mutter Eileen durch den Winter begleitet wird, also vor der 100-Siege-Schallmauer. Und sie dürfte auch danach nicht langsamer werden.
Ihre Rivalinnen sind zwiegespalten. Einerseits zehrt so eine Dominanz an den Nerven. „Es gibt in jeder Sportart und zu jeder Zeit diese Ausnahmetalente. Dann ist es schon schwer, wenn man immer gegen so jemanden konkurrieren muss“, erzählte Dürr, die Shiffrin erst einmal bei einem Slalom auf Platz zwei verweisen konnte und wie alle anderen Torläuferinnen darauf brennt, der Amerikanerin das Heim-Event zu vermasseln. „Aber es ist auch cool zu sehen, dass jemand so lang so konstant auf höchstem Level fahren kann.“
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