Mit „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ oder „Keine Macht für niemand“ lieferte die Band Ton Steine Scherben den Soundtrack für den revolutionären Teil der 70er Jahre. Nun ist der als R.P.S. Lanrue bekannte Mitbegründer der Politrockband, Ralph Peter Steitz, gestorben. Wie seine Frau der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bestätigte, starb der Musiker nach schwerer Krankheit am Sonntag in Berlin - im Kreis der Familie im Alter von 74 Jahren. Zuvor hatte „Die Tageszeitung“ (taz) berichtet.
Tumult gehörte zur Band und zum Leben der Musiker. Gerade erst in Berlin gegründet, stand die Rockband um Leadsänger Rio Reiser 1970 auf der Insel Fehmarn das erste Mal gemeinsam auf der Bühne. Das Love-and-Peace-Festival dort sollte eine Art deutsches Woodstock werden. Zur Empörung der Musiker war die Tageskasse verschwunden. Die Politrocker spielten „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, Reiser heizte die Fans noch auf. Die erste Scheiben-Single entfaltete ihre Urgewalt: Im allgemeinen Tumult ging die Bühne in Flammen auf.
„Das war fulminant“, erinnerte sich R.P.S. Lanrue im Gespräch mit der dpa vor wenigen Jahren. Er hatte Ton Steine Scherben zusammen mit dem 1996 gestorbenen Reiser gegründet.
Ralph Peter Steitz (Lanrue) und Ralph Christian Möbius (Reiser) verband eine Menge. Im hessischen Nieder-Roden liefen sie sich 1966 über den Weg. Lanrue brauchte einen Gitarristen und ließ Reiser einen Rolling-Stones-Song vorspielen. Den sang er auch gleich noch. Als Beat Kings und De Galaxis spielten sie Covers und erste eigene Songs, ließen sich dafür etwa auch von den Stones beeinflussen.
Reiser ging nach West-Berlin, Lanrue folgte kurz darauf. Für das Theaterstück „Rita und Paul“ schrieben sie 1969 „Macht kaputt, was euch kaputt macht“. Der Song hatte direkten Bezug zum Stück. „Da wurde jeden Abend ein Fernseher mit einem Rechtsextremen zertrümmert“, erinnerte sich Lanrue. „Dazu haben wir dann „Macht kaputt” gespielt.“
Kurz darauf gründeten Reiser und Lanrue mit dem Bassisten Kai Sichtermann und dem Schlagzeuger Wolfgang Seidel Ton Steine Scherben. Im Laufe der Jahre sollte es zahlreiche Zuwächse, Auszeiten und Wechsel in der Besetzung geben.
Als Managerin ist zeitweise Claudia Roth dabei. Aus der Zusammenarbeit von Lanrue und Reiser seien Songs entstanden, „die den Sound einer ganzen Generation geprägt haben“, so die heutige Kulturstaatsministerin. „Sie haben mit Ton Steine Scherben eine der politischsten Bands unseres Landes gegründet, die aber ebenso für große Kunst stand.“
Im Original hat „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ fast zwei Minuten Vorspiel, nach leicht sphärischen ersten Klängen folgt ein zunehmend aggressives Crescendo mit einem unverwechselbaren Gitarrenriff von Lanrue. „Wenn ich das nur angespielt habe, war die Stimmung sofort da“, beschrieb der Musiker die aufgeheizte Situation in den Konzerten.
Die Scherben lieferten auf drei Alben den Sound der Revolte: „Ich will nicht werden, was mein Alter ist“ symbolisierte den Generationenkonflikt, der „Rauch-Haus-Song“ war Begleitung für Hausbesetzungen, „Keine Macht für niemand“ stand für den Drang zu Freiheit und Anarchie.
Vieles von der Playlist zum Kampf gegen das Establishment spielte sich in Kreuzberg ab. Im geteilten Berlin war der Bezirk wie getrennt vom Leben des restlichen Westteils der Stadt - Schlachtfeld von Ton Steine Scherben. „Die Erfindung Kreuzbergs“ ist aus Sicht der „taz“ die „historische Großtat von Ton Steine Scherben“.
Bei vielen Events sollten die Scherben spielen. Die Gagen waren bescheiden, Veranstalter erwarteten Solidarität von der Band. Reiser, Lanrue und andere Musiker lebten am „T-Ufer“, eine Kommune am Tempelhofer Ufer. Offenes Haus, viel Besuch, unangemeldete Eindringlinge, Polizeirazzien.
All das wurde Reiser und Lanrue Mitte der 70er Jahre zu viel, mit einer kleinen Scherben-Gemeinde zogen sie nach Fresenhagen in Nordfriesland. Dort entsteht das vierte Album „IV“, das selbst viele Scherben-Fans kaum kennen. „Mein Lieblingsalbum“, sagte Lanrue.
Im Gründerjahr der Politband formierte sich auch die Rote Armee Fraktion. Besuch von RAF-Leuten in der Berliner Scherben-Kommune war keine Seltenheit. „Die gingen ja bei uns ein und aus“, erinnerte sich Lanrue. Trotzdem steckte aus Sicht des Musikers „nicht viel“ RAF in Ton Steine Scherben. „Obwohl wir viele Protagonisten kennengelernt haben, haben wir immer unser eigenes Programm gemacht“, sagte Lanrue. Bewaffneter Kampf und blanker Terror gehörten nicht dazu.
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