Trotz klammer Kassen verschwendet der Staat nach Ansicht des Steuerzahlerbunds weiterhin viele Millionen Euro an Steuergeld. Auch überbordende Bürokratie verursache hohe Kosten, kritisierte der Verein in Berlin. „Jahr für Jahr versickern Milliarden Euro Steuergeld durch die wuchernde Bürokratie mit oft nur fragwürdigem Nutzen oder gar echtem wirtschaftlichen Schaden“, heißt es im „Schwarzbuch 2024/25“. Mit 100 Beispielen aus Kommunen sowie der Landes- und Bundesebene beleuchtet der Verein darin zum 52. Mal, wo aus seiner Sicht öffentliche Gelder in den Sand gesetzt werden.
„Wir müssen immer wieder feststellen, dass oft gesunder Menschenverstand durch bürokratische Regeln ersetzt wird“, bemängelte Vereinspräsident Reiner Holznagel bei der Präsentation des Buches. Als ein Beispiel nannte er einen Zebrastreifen in Eberbach in Baden-Württemberg, der nach 13 Jahren entfernt werden musste. Bei einer Verkehrsschau im vergangenen Jahr stellte sich heraus, dass der Überweg zu nah an einer Bushaltestelle ohne Haltebucht liegt - und somit nach den Richtlinien ein Risiko darstellt. Denn der Bus muss für den Ein- und Ausstieg auf der Fahrbahn halten. Autofahrer haben da weniger Sicht auf den Zebrastreifen. Gemerkt hat es in all den Jahren aber niemand.
„Die damaligen Verantwortlichen gingen wohl davon aus, dass alle geltenden technischen Regelwerke vom beauftragten Fachplaner eingehalten wurden“, teilte die Stadt dem Steuerzahlerbund mit. „Nachdem der Fehler aufgefallen war, hatte die Stadt Eberbach keine andere Möglichkeit, als den Fußgängerüberweg zu entfernen, da sie sonst gegen geltende Vorschriften gehandelt hätte“, erklärte die Stadtverwaltung auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Als weiteres Beispiel nannte Holznagel einen Fall aus dem mittelhessischen Biedenkopf: „Dort wird ein Sprungturm in einem Freibad nach 30 Jahren abgerissen, nach 30 Jahren, weil das Becken da drunter fünf Zentimeter zu flach ist“. Jahrzehntelang sei jedoch kein Unfall passiert, moniert der Steuerzahlerbund.
Um Bürokratie abzubauen, forderte Holznagel die Politik auf: „Haben Sie mehr Mut, Unsinniges zu streichen, Strukturen zu verändern oder zu überdenken.“ Der dpa sagte er, dass die seit 2015 geltende „One-in-One-Out“-Regel nicht ausreiche. Diese sieht vor, dass für jede gesetzlich eingeführte Belastung der Wirtschaft spätestens bis zum Ende der Legislaturperiode eine mindestens gleich hohe Entlastung herbeigeführt werden muss.
Der Bund der Steuerzahler fordert eine Verschärfung: eine „One-in-Two-Out“-Regel. „Das heißt, wer eine neue bürokratische Regelung schafft, der muss zwei andere abschaffen, damit es endlich weniger wird und die Menschen mehr Freiraum haben“, führte Holznagel aus.
Der Präsident des Steuerzahlerbunds hält auch eine konsequente Digitalisierung der Verwaltung, weniger Doppelstrukturen, mehr Transparenz bei Verwaltungsprozessen und eine engere Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungsebenen für notwendig.
In der Kategorie „Richtig skurril!“ listet der Steuerzahlerbund unter anderem Tunnel für Kröten in Hamburg-Blankenese. Das Bezirksamt Altona hat dort nach eigenen Angaben für 465.848 Euro entlang des Falkensteiner Ufers und des Falkensteiner Wegs ein 465 Meter umspannendes Amphibienleitsystem mit vier Tunneln angelegt. Aus Sicht des Steuerzahlerbunds eine in mehrerlei Hinsicht zweifelhafte Investition.
Denn zum einen liege die Anlage an einer Fahrradstraße, die lediglich von sehr wenigen Anwohnern mit dem Auto befahren werde. „Hier stellt sich durchaus die Frage, ob da nicht Hinweisschilder ausgereicht hätten“, erklärte der Bund der Steuerzahler. Und zum anderen sei überhaupt nicht klar, ob der Verkehr für den festgestellten Rückgang der Krötenpopulation verantwortlich ist. Es gebe dazu bislang keine Zahlen.
Das Bezirksamt Altona verwies auf Anfrage unter anderem auf Maßnahmen zur Erfolgskontrolle des Vorhabens. Inwiefern die Krötentunnel genutzt werden, wird demnach durch Kameras dokumentiert. Der Naturschutzbund Nabu habe das übernommen. Eine Auswertung der Kamera-Daten steht demnach noch aus.
Das Schwarzbuch macht zudem auf eine alte Postbrücke bei Lorsch in Südhessen aufmerksam. Das denkmalgeschützte Bauwerk war demnach wegen einer Beschädigung seit 2016 gesperrt und wurde für mehr als 300.000 Euro saniert. Die Bürgerinnen und Bürger könnten die Brücke nun wieder begehen, erklärte der Steuerzahlerbund. „Aber am Ende der Brücke in Richtung Weschnitzinsel geht es nicht weiter – dort wurde nämlich ein meterhoher Zaun errichtet.“
Hinter dem Zaun befindet sich ein Naturschutzgebiet, dessen Renaturierung 2017 abgeschlossen wurde. Inzwischen darf der frühere Weg durch das Gebiet nicht mehr benutzt werden. Nach Ansicht des Steuerzahlerbunds hätte womöglich eine günstigere Teilsanierung der Brücke ausgereicht.
Der Bürgermeister von Lorsch, Christian Schönung, entgegnete, die gewählten Vertreter der Stadt Lorsch hätten den Vorlagen für die Sanierung einstimmig zugestimmt.
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