Das Popcorn-Match seiner potenziellen Halbfinal-Gegner wollte sich Alexander Zverev nach einer Massage ganz entspannt im Hotel am Fernseher anschauen. Als Titelrivale, aber auch als Fan. Es sei vielleicht das „Highlight-Match des gesamten Turniers“, sagte Zverev über das Giganten-Viertelfinale der Australian Open zwischen dem Grand-Slam-Rekordgewinner Novak Djokovic aus Serbien gegen Spaniens Tennis-Ass Carlos Alcaraz am Abend (ca. 11.00 Uhr MEZ).
Einen Wunschgegner hatte Zverev, der zuvor beim 7:6 (7:1), 7:6, (7:0), 2:6, 6:1-Sieg gegen den Amerikaner Tommy Paul seine Hausaufgaben mit Mühe erledigt hatte, nicht. „Nö“, antwortete der Weltranglisten-Zweite auf die entsprechende Frage und fügte lächelnd an: „Aber ich hoffe, dass sie 7:6 im fünften Satz spielen werden.“
Welcher der beiden Ausnahmekönner sich ihm auf dem anvisierten Weg ins Finale auch in den Weg stellen wird - Zverev will demjenigen „einen harten Kampf“ liefern: „Ich weiß, ich habe das Niveau und habe sie schon zuvor geschlagen.“
Klar ist aber: Im Halbfinal-Showdown muss sich Zverev steigern, will er seine Chancen auf den ersehnten ersten Grand-Slam-Titel wahren. Echte Titelform bewies der Hamburger im Viertelfinale fast nur in den Tiebreaks und phasenweise im vierten Satz.
„Ich habe das Gefühl, dass ich ihm die ersten beiden Sätze gestohlen habe, denn er hat besser gespielt als ich“, sagte der Olympiasieger von 2021 hinterher ehrlich. „Ich hasse es, gegen ihn zu spielen, weil man gar keinen Rhythmus bekommt.“ Doch auf seine Nervenstärke in den entscheidenden Momenten war Verlass.
Entsprechend reckte Zverev eher erleichtert als euphorisiert die Arme, nachdem er mit einem krachenden Ass seinen dritten Matchball nach dreieinhalb Stunden verwandelt hatte. Durch seinen insgesamt 30. Sieg bei den Australian Open überflügelte Zverev die Tennis-Ikone Boris Becker und ist in dieser Statistik nun alleiniger Rekordhalter der männlichen deutschen Spieler.
„Der große Unterschied ist“, sagte Zverev: „Boris Becker hat die Trophäe hier zweimal hochgehalten. Ich habe es noch nicht getan.“
Das Match gegen Paul gab auch nicht viel Anlass zur Hoffnung, dass sich daran etwas ändert. Zverev schwächelte im mit viel Mühe gewonnenen ersten Satz mit einer Quote von nur 60 Prozent erster Aufschläge ausgerechnet in seiner Paradedisziplin. Nur dank eines Re-Breaks zum 6:6 rettete er sich in den Tiebreak, in dem er dominierte.
Gleich sein erstes Aufschlagspiel des zweiten Satzes gab er ab, dann fühlte er sich ungerecht behandelt. Beim Stand von 2:4 störte ihn zuerst ein Aus-Ruf aus dem Publikum. Dann unterbrach der Schiedsrichter das Spiel wegen einer auf den Platz gefallenen Vogel-Feder den Regeln entsprechend. Zverev beschwerte sich jeweils sichtlich genervt: „Das ist unglaublich.“ Für sein Meckern bekam er eine Verwarnung.
Doch Zverev gaben die Emotionen neuen Schwung. Er breakte seinen Gegner, wehrte einen Satzball ab und dominierte erneut im Tiebreak. Der verlorene dritte Satz war eine Art Weckruf. Nach einer Toilettenpause wirkte Zverev wieder deutlich konzentrierter, während bei Paul der Rhythmus gebrochen war.
Nach dem Sieg gab es in den Katakomben wieder das obligatorische Handschlag-Spiel mit Freundin Sophia Thomalla, auf das Zverev im Interview auf dem Platz auch angesprochen wurde. „Wir sind Deutsche“, sagte er lächelnd, „das ist die Spitze der deutschen Coolness“.
Die Temperaturen von mehr als 30 Grad und die direkte Sonneneinstrahlung machten auch Zverev, der die Wärme eigentlich mag, etwas zu schaffen. „Momentan ist mir einfach nur heiß“, sagte Zverev wenige Minuten nach Matchende bei Eurosport.
Körperlich konnte er sich später im Hotel abkühlen. Emotional dürfte ihn das Mega-Match Djokovic gegen Alcaraz aber wieder aufheizen.
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