Nach der tödlichen Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist die Zahl der Toten auf vier gestiegen. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen wurden zudem 41 Menschen schwerst verletzt. Die „Bild“-Zeitung und weitere Medien berichteten von insgesamt mehr als 200 Verletzten. Zuvor war von zwei Toten die Rede, darunter ein Kleinkind. Die Polizei äußerte sich zunächst auf Anfrage nicht. Am Vorabend war zunächst die Rede von mehr als 60 Verletzten gewesen.
Ein Auto war am frühen Freitagabend auf einem Weihnachtsmarkt in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt in die Menschengruppe gerast. Ministerpräsident Reiner Haseloff sprach von einem „menschenverachtenden Anschlag“ und zeigte sich „tief entsetzt“. Die Polizei äußerte sich am Samstagvormittag zunächst zurückhaltend zu der Frage, ob sie die Tat als Anschlag wertet. Man sei noch in der Klärung, hieß es.
Bei dem noch am Abend festgenommenen Verdächtigen handelt es sich um einen Arzt aus Bernburg, der aus Saudi-Arabien stammt. Der Mann ist als islamkritischer Aktivist bekannt. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bezeichnet sich der 50-jährige Arzt, der seit 2006 in Deutschland lebt, selbst als Ex-Muslim.
Der Mann war nach der Todesfahrt festgenommen worden. Die Polizei kennt nach eigenen Angaben noch keine Hintergründe zur Tat - geht aber von einem Einzeltäter aus. Der Mann wurde nach Angaben aus der Nacht verhört. Es würden unter anderem Durchsuchungen durchgeführt, sagte eine Sprecherin. Am Morgen sagte sie, es laufe eine Durchsuchung in Bernburg.
Der 50-Jährige war am Tatort von Einsatzkräften gestellt und festgenommen worden. Nach Angaben von Haseloff raste der Mann mit einem Leihwagen in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt. Die „Bild“ schrieb unter Berufung auf die Polizei, dass sich die Fahrt auf dem Gelände über 400 Meter erstreckt habe.
In sozialen Medien und Interviews erhob der Tatverdächtige zuletzt teils wirr formulierte Vorwürfe gegen deutsche Behörden. Er hielt ihnen vor, nicht genügend gegen Islamismus zu unternehmen. Nachdem er vor Jahren mit seiner Unterstützung für saudische Frauen, die aus ihrem Heimatland fliehen, an die Öffentlichkeit gegangen war, schrieb er später auf seiner Website in englischer und arabischer Sprache: „Mein Rat: Bittet nicht um Asyl in Deutschland.“
Kanzler Olaf Scholz, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD), Bundesjustizminister Volker Wissing, Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) kamen am Vormittag nach Magdeburg.
Am Abend soll es im Dom eine Gedenkfeier geben. Das Innenministerium von Sachsen-Anhalt ordnete bis Montag Trauerbeflaggung an allen Dienstgebäuden des Landes an. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ordnete bundesweit Trauerbeflaggung an den obersten Bundesbehörden an.
Am Morgen nach der Tat war der Weihnachtsmarkt komplett abgeriegelt, die Buden und der Baum waren aber noch erleuchtet. Blumensträuße und Kerzen wurden vor der Johanniskirche abgelegt. Nur vereinzelt waren nach Angaben eines dpa-Reporters Passanten unterwegs.
Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris sagte am Abend unter Tränen vor Journalisten, man wolle bei der Gedenkfeier am Abend im Dom Betroffenen, Angehörigen und allen anderen Bürgern eine Möglichkeit zum Trauern geben. „Wir werden eine lange Zeit zum Trauern brauchen“, sagte sie sichtlich fassungslos. „Wir werden das alles umfassend aufarbeiten.“
Die AfD-Landtagsfraktion forderte eine Sondersitzung des Innenausschusses - auch zur Aufklärung möglicher Verfehlungen oder Versäumnisse. Es sei zu hinterfragen, ob das Sicherheitskonzept des Weihnachtsmarkts so aufgestellt worden sei, dass man die Tat hätte verhindern können, sagte der innenpolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, Matthias Büttner.
Bundeskanzler Scholz schrieb auf der Plattform X: „Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Wir stehen an ihrer Seite und an der Seite der Magdeburgerinnen und Magdeburger. Mein Dank gilt den engagierten Rettungskräften in diesen bangen Stunden.“ Auch Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) zeigte sich entsetzt und sprach von einem feigen Anschlag. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dankte den Rettungskräften und schrieb: „Die Vorfreude auf ein friedliches Weihnachtsfest wurde durch die Meldungen aus Magdeburg jäh unterbrochen.“
Nato-Generalsekretär Mark Rutte kontaktierte nach eigenen Worten Bundeskanzler Scholz und drückte ihm sein Mitgefühl aus. Die Vereinten Nationen bekundeten ebenfalls ihr Beileid. Man sei schockiert, sagte Stéphane Dujarric, Sprecher des UN-Generalsekretärs. „Meine Gedanken sind heute bei den Opfern der brutalen und feigen Tat in Magdeburg“, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf der Plattform X.
Der französische Präsident Emmanuel Macron schrieb auf X, Frankreich teile den Schmerz des deutschen Volks. Er sei zutiefst erschüttert über „den Horror“, der den Weihnachtsmarkt heimgesucht habe. Die USA seien bereit, Unterstützung zu leisten, hieß es vom Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller. Der designierte US-Vizepräsident J.D. Vance zeigte sich bei X ebenfalls betroffen, sprach von einer „entsetzlichen Attacke“.
Auch Saudi-Arabien verurteilte die tödliche Attacke. „Das Königreich bringt seine Solidarität mit dem deutschen Volk und den Familien der Opfer zum Ausdruck“, schrieb das Außenministerium in einer Mitteilung auf X. In der Stellungnahme erwähnte das Land den Verdächtigen, der aus Saudi-Arabien stammt, nicht.
Ein Handyvideo soll die Festnahme des Verdächtigen zeigen. In dem Clip ist zu sehen, wie ein Polizist seine Waffe auf den Verdächtigen richtet und ihm zuruft, sich hinzulegen: „Die Hände auf den Rücken!“ und „Bleib liegen!“ Der Mann legt sich neben einem schwarzen - sichtbar beschädigten - Auto auf den Boden und befolgt die Anweisungen. Schließlich kommt Verstärkung, mehrere Polizisten springen aus dem Einsatzwagen und umkreisen den liegenden Verdächtigen.
Der AfD-Politiker Tobias Rausch wurde nach eigenen Angaben selbst Zeuge der Attacke auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt. „Wenn man das miterlebt hat, das war erschreckend, wie die Panik ausgebrochen ist, wie die Leute umgefallen sind“, schilderte Rausch seine Eindrücke am Morgen danach vor Pressevertretern in Magdeburg. „Auf einmal hat man ein dumpfes Geräusch gehört, da waren schon Schreie, Panik ist ausgebrochen.“ Ein Motor habe laut aufgeheult, Scheinwerfer seien auf ihn und seine Begleitung zugekommen. „Meine Begleitung sagte geistesgegenwärtig, der fährt auf uns zu, rennt weg.“
Fast auf den Tag genau vor acht Jahren, am 19. Dezember 2016, war in Berlin ein islamistischer Terrorist mit einem entführten Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gerast. Dabei wurden 12 Menschen getötet, das 13. Opfer starb 2021 an den Folgen. Mehr als 70 Menschen wurden verletzt. Der Attentäter floh nach Italien, wo er von der Polizei erschossen wurde. Die Berliner Polizei erhöht nun ihre Präsenz auf den Berliner Weihnachtsmärkten nach der tödlichen Attacke auf den Magdeburger Markt. Das teilte Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) mit.
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