Umweltschützer: Öl-Manager soll nicht Klimakonferenz leiten | FLZ.de

arrow_back_rounded
Lesefortschritt

Umweltschützer: Öl-Manager soll nicht Klimakonferenz leiten

Sultan Ahmed al-Dschaber, der emiratische Staatsminister und CEO der staatlichen Abu Dhabi National Oil Co. (Foto: Kamran Jebreili/AP/dpa)
Sultan Ahmed al-Dschaber, der emiratische Staatsminister und CEO der staatlichen Abu Dhabi National Oil Co. (Foto: Kamran Jebreili/AP/dpa)
Sultan Ahmed al-Dschaber, der emiratische Staatsminister und CEO der staatlichen Abu Dhabi National Oil Co. (Foto: Kamran Jebreili/AP/dpa)

Vor dem Petersberger Klimadialog äußern sich Umweltschützer entsetzt darüber, dass die nächste Weltklimakonferenz COP28 in Dubai vom Top-Manager eines Ölkonzerns geleitet wird. Der designierte COP-Präsident Sultan Ahmed al-Dschaber, der am Dienstag und Mittwoch beim Klimadialog in Berlin mit Außenministerin Annalena Baerbock als Gastgeber auftritt, ist Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate und zugleich Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc.

Greenpeace sei deswegen „zutiefst beunruhigt“, sagte der geschäftsführende Vorstand Martin Kaiser der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Er sprach von einem gefährlichen Präzedenzfall und einem beispiellosen Interessenkonflikt. „Das ist so, als ob das Umweltbundesamt vom Chef von VW geleitet würde.“ Die Vereinten Nationen müssten dem einen Riegel vorschieben. „Um die Erosion des öffentlichen Vertrauens in die UN zu beenden, muss der Generalsekretär die Politik der Interessenkonflikte verbieten.“

Zum zweitägigen Klimadialog der Bundesregierung in Berlin werden Teilnehmer aus etwa 40 Staaten erwartet. Geplant ist auch eine Rede Al-Dschabers, der in den ersten beiden Dezemberwochen die Klimakonferenz in Dubai leitet. Der COP-Präsident hat eine wichtige Rolle als Vermittler für Kompromisse zwischen den fast 200 Staaten.

Immerhin: Al-Dschaber hat schon an etlichen UN-Klimakonferenzen teilgenommen und ist auch mit dem Thema Energiewende vertraut. Er hat 2006 das staatliche Erneuerbare Energien-Unternehmen Masdar mit Sitz in Abu Dhabi gegründet und geleitet, das Wind- und Solar-Projekte in mehr als 40 Ländern mit angeschoben hat.

Acht neue Bohrinseln in einem halben Jahr

Die Emirate zählen zu den zehn größten Ölproduzenten der Welt und wollen trotz Klimakrise ihre klimaschädliche Öl-und Gas-Produktion weiter ausbauen. Allein im zweiten Halbjahr 2022 hat Adnoc acht neue Bohrinseln in Betrieb genommen, der Nettogewinn stieg um mehr als 30 Prozent auf etwa 800 Millionen US-Dollar.

Die Internationale Energieagentur (IEA) ruft aber dringend dazu auf, ab sofort keine neuen Öl- und Gasvorkommen mehr zu erschließen, um die Klimakrise einzudämmen. Auch der Weltklimarat IPCC warnt, Investitionen in neue fossile Lagerstätten seien nicht mit dem Ziel vereinbar, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen im Vergleich zur vorindustriellen Zeit.

Brice Böhmer von Transparency International sagte der dpa, nötig seien klare Regeln der UN zur Vermeidung solcher Interessenkonflikte. Er wies darauf hin, dass bei der vergangenen Weltklimakonferenz in Ägypten mehr als 600 Öl- und Gaslobbyisten akkreditiert gewesen seien. Zur Personalie Al-Dschaber sagte er, dessen Nominierung gefährde die Glaubwürdigkeit der UN. Ein Boykott der COP28 in Dubai sei aber nicht sinnvoll, weil dies Korruption und unangemessene Einflussnahme eher noch stärken würde. Die Nichtregierungsorganisation widmet sich seit 30 Jahren der weltweiten Bekämpfung von Korruption.

Posten als Konzernchef niederlegen

Die Exekutivdirektorin des Climate Action Network (CAN), Tasneem Essop, bekräftigte ihre Forderung, das Al-Dschaber seinen Posten als Konzernchef niederlegen müsse - zumindest für die Zeit, in der die Emirate die Klimakonferenz ausrichten. Dies schaffe zumindest eine Art „Brandmauer“ zwischen seinen Rollen. Ein COP-Präsident müsse objektiv agieren und frei sein von Interessen der Fossil-Industrie. Die UN-Klimadiplomatie hätte schon „vor Jahrzehnten“ ein Regelwerk dazu erlassen müssen, sagte sie. Im Netzwerk CAN sind mehr als 1300 Klimaschutz-Organisationen in etwa 130 Staaten zusammengeschlossen.

Die Umweltschutzorganisation WWF vertritt die Ansicht, dass der Klimadialog für Kanzler Olaf Scholz (SPD) zum „Klima-Knackpunkt“ wird. National sehe die klimapolitische Bilanz der vergangenen Wochen mau aus, erklärte Viviane Raddatz, Klimachefin des WWF Deutschland. „Auf internationaler Bühne gilt es nun dafür zu sorgen, dass insbesondere bei der Minderung von Emissionen nachgelegt wird.“

© dpa-infocom, dpa:230501-99-515889/3


Von dpa
north