Seit dem 15. März müssen Mitarbeiter in Gesundheitsberufen gegen das Corona-Virus geimpft sein. Eigentlich. Besonders in Pflegeheimen wird angesichts des Personalmangels aus der Pflicht aber oft eher eine Bitte und damit ein Appell zur Eigenverantwortung. Das Ergebnis: Je nach Einrichtung und Region schwankt die Impfquote stark.
Was bedeutet das für den Alltag in Pflegeheimen? Beschäftigte in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen konnten offiziell noch bis zum 15. März ihre Corona-Impfung oder Genesung nachweisen - oder ein Attest vorlegen, dass sie nicht geimpft werden können. Seitdem gilt die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegepersonal, und die Gesundheitsämter können bei ihnen dann Beschäftigungskonsequenzen ziehen.
Pflegekräfte verlieren nicht unmittelbar ihren Job
So die Theorie. Allerdings kann es in der Praxis dauern, bis ungeimpfte Beschäftigte Bußgelder zahlen müssen oder Betretungs- oder Tätigkeitsverbote verhängt werden. Die meisten Ämter setzen auf mehrstufige Verfahren mit teils mehrfachen Fristsetzungen, Einzelfallprüfungen und auf Ermessensspielräume. Der Verlust einer Stelle aufgrund fehlender Corona-Impfung droht nicht unmittelbar.
Bewohner und ihre Angehörigen sind der Situation vor Ort daher ein Stück weit ausgeliefert. Denn aus rechtlicher Perspektive haben sie nach Einschätzung des Deutschen Pflegeverbands zwar durchaus Anrecht auf eine geimpfte Pflegekraft. In Absprache mit dem örtlichen Gesundheitsamt und der Heimleitung sei das durch die jetzt in Kraft getretene einrichtungsbezogene Impfpflicht abgedeckt. Ob sich der Wunsch aber auch umsetzen lasse, hänge stark von der Personalsituation vor Ort ab.
Anders gesagt: Je weniger geimpftes Personal, desto schwieriger die rechtliche Umsetzung.
Offenes Gespräch führen
Um dieses Spannungsverhältnis zu entlasten, rät Prof. Johannes Pantel, Leiter der Altersmedizin an der Frankfurter Goethe-Universität, offen über seine Unsicherheit mit den Pflegekräften zu sprechen. „Es ist wichtig, die eigenen Ängste zu thematisieren, ohne zu moralisieren“, sagt er. Eine ungeimpfte Pflegekraft könne ja trotzdem sehr gute Arbeit verrichten.
Daher dürfe im Gespräch kein Vorwurf mitschwingen. Vielmehr rät Pantel, sich die Gründe anzuhören, weshalb sich eine Pflegekraft bisher gegen eine Impfung entschieden habe. Schließlich sei im Gesundheitsbereich nicht jeder Ungeimpfte ein kategorischer Impfgegner. Ob sich der- oder diejenige dann in seiner Haltung durch eine offene Ansprache umstimmen lasse, bleibe aber offen.
Bewohnern, die Angst haben, sich bei ungeimpften Pflegekräften anzustecken, empfiehlt Johannes Pantel eine Risikoabschätzung und den Fokus auf den Eigenschutz. Denn nicht zu vergessen ist: Auch geimpfte Pflegekräfte können andere weiterhin anstecken.
Daher sieht er für Heimbewohner in der zweiten Booster-Impfung eine Möglichkeit, das eigene Sicherheitsgefühl zu steigern. Hinzu komme, dass durch die Omikron-Variante die Gefahr eines schweren Verlaufs auch abgenommen habe. Letztlich bleibt in Pflegeeinrichtungen auch angesichts anderer Infektionskrankheiten immer ein Restrisiko.
Angehörige sollen Bewohnern beistehen
Doch wie sollten Bewohner handeln, wenn die Situation trotz allem Feingefühl eskaliert? „Als Angehöriger würde ich das Gespräch mit der betroffenen Pflegekraft suchen“, sagt Johannes Pantel. Im zweiten Schritt sieht er die Verantwortung bei der Heimleitung, um eine Lösung zu finden. Es könne schon helfen, wenn ungeimpfte Pflegekräfte weniger Bewohnerkontakt hätten, sagt er.
Finde sich intern keine Lösung, so Pantel, bleibe Heimbewohnern als letzte Konsequenz nur die Suche nach einer neuen Einrichtung.
© dpa-infocom, dpa:220316-99-543549/2