Weniger als die Hälfte der Arbeitnehmer in Deutschland war im vergangenen Jahr in einem tarifgebundenen Betrieb beschäftigt. Über die Quote von 49 Prozent berichtete das Statistische Bundesamt am Freitag. Vergleiche zu den Vorjahren sind demnach nicht möglich, da die Zahl erstmals für 2022 auf neuer Datengrundlage erhoben wurde.
Es wurden 58.000 Betriebe sämtlicher Größen detailliert befragt, ob für sie ein Branchen- oder Unternehmenstarifvertrag galt. Damit gelten Betriebe, die Tarifverträge nur freiwillig anwenden, nicht als tarifgebunden. Ihre Arbeitnehmer können trotzdem Gehälter und Arbeitsbedingungen erhalten, die den tariflichen Vorgaben ähneln.
Auf einer anderen Datengrundlage war das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung für 2021 auf 52 Prozent der Beschäftigten gekommen, die nach Tarifvertrag angestellt waren. Von den übrigen 48 Prozent arbeitete rund die Hälfte in Betrieben, die sich am Branchentarif orientierten.
Die höchsten Tarifbindungsquoten stellten die Statistiker für 2022 mit 100 Prozent im öffentlichen Dienst, bei der Verteidigung und den Sozialversicherungen fest. Vergleichsweise geringe Quoten gab es im Gastgewerbe (20 Prozent), bei Kunst, Unterhaltung und Erholung (21 Prozent) sowie in der Land- und Forstwirtschaft mit 11 Prozent.
Im europäischen Vergleich hinkte Deutschland im Jahr 2018 mit einer Tarifbindung von 48 Prozent hinterher. Das reichte für Platz 18 in der EU und verfehlte das Ziel des Europäischen Parlaments von 80 Prozent Tarifbindung deutlich. Jüngere Zahlen der europäischen Statistikbehörde lagen nicht vor.
Der Linken-Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser verlangte einen umfassenden Aktionsplan zur Steigerung der Tarifbindung. Dazu gehörten leichtere Allgemeinverbindlichkeitserklärungen.
Die Arbeitgeber verwiesen hingegen auf rund 20 Millionen Jobs, die in Deutschland über Tarifverträge geregelt seien. Einschließlich der Unternehmen, die sich an den Tarifverträgen orientierten, ergebe sich sogar ein Anteil von 75 Prozent an allen Beschäftigungsverhältnissen. Diese Sozialpartnerschaft wolle man stärken und ausbauen, erklärte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter.
© dpa-infocom, dpa:230602-99-914537/4