Michael Jung schaute abwechselnd bedröppelt und glücklich. Der erfolgreichste Vielseitigkeits-Reiter der Welt fühlte sich hin- und hergerissen, denn er verlor bei der WM in Italien Gold und gewann zugleich Gold.
„Ich bin super-happy mit dem Team, aber natürlich auch ein bisschen unglücklich“, kommentierte Jung, der mit Chipmunk zwei Abwürfe hatte. Der 40 Jahre alte Profi vergab damit im Springen seine Chance auf den Sieg im Einzel, rettete aber immerhin noch Platz eins für die deutsche Mannschaft.
Eindeutiger war die Freude bei Julia Krajewski, die Platz zwei im Einzel belegte. „Gold und Silber, viel besser geht es ja nicht“, sagte die 33-Jährige aus Warendorf. Freudestrahlend fügte die Olympiasiegerin von Tokio an: „Wir lieben es, Medaillen zu gewinnen.“
Jung verpasste den Doppel-Coup, weil er als Führender in das abschließende Springen gegangen war, aber acht Strafpunkte kassierte und mit Chipmunk noch auf Rang fünf zurückfiel. Mit einem Abwurf zu viel vergab er die Chance auf die Wiederholung seines Einzel-Titels von 2010 in Kentucky.
Krajewski hingegen arbeitete sich am letzten Tag der WM in Rocca di Papa vom fünften auf den zweiten Platz vor. Mit Silber im Einzel bestätigte sie ihre Klasse hinter der neuen Titelträgerin Yasmin Ingham aus Großbritannien auf Banzai.
Die Olympiasiegerin von Tokio hatte vor ihrem fehlerfreien Springen eine starke Dressur und einen famosen Geländeritt gezeigt. „Mega“, schwärmte die 33-Jährige aus Warendorf und lobte ihre „Mandy“ genannte Stute. „Sobald Platz war, ging der Kopf runter und der Turbo an“, berichtete sie über ihren Geländeritt und fügte grinsend an: „Ich bin einfach der größte Fan von meinem Pferd.“
„Ihr seid klasse“, rief der neue Bundestrainer Peter Thomsen seinem siegreichen Team zu, das ihm einen perfekten Einstand als Nachfolger von Hans Melzer bescherte. Strahlend herzte der Coach sein Quartett, zu dem auch Sandra Auffarth aus Ganderkesee mit Viamant und Christoph Wahler aus Bad Bevensen mit Carjatan gehörten. Zweite wurden die USA vor Neuseeland.
„Das ist unfassbar“, sagte WM-Debütant Wahler. „Ich kann es noch gar nicht fassen.“ Strahlend feierte auch Auffarth, die zwölf Strafpunkte im Springen kassierte und damit das Streichergebnis des deutschen Teams lieferte. „Das war einfach superspannend heute“, sagte die Doppel-Weltmeisterin von 2014. „Es war ein aufregender Tag mit vielen Höhen und Tiefen“, räumte sie ein.
„Gold und Silber, davon träumt man vorher höchstens“, kommentierte Dennis Peiler, der Sportchef des deutschen Reitverbandes FN. „Das ist unglaublich, dass es so geklappt hat. Das ist sensationell für uns.“ Locker schaffte das deutsche Team nebenbei die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris.
Jung hatte wie der sichere Sieger ausgesehen. In der Dressur am Freitag hatte er die Führung übernommen und im Gelände verteidigt. Auf der trockenen und staubigen Cross-Country-Piste ritt er ohne Fehler und kommentierte grinsend: „Der Staub ist hinter einem, wenn man schnell genug reitet.“ Krajewski meinte nach ihrem Geländeritt: „Ich habe noch ein bisschen Staub zwischen den Zähnen und in den Augen.“
Immerhin ging Jungs Prognose für die Mannschaftswertung auf. „Ehrlich gesagt habe ich die ganze Woche daran geglaubt, dass es klappen kann“, sagte der Gold-Gewinner zur Aufholjagd nach dem schwachen ersten Tag, als Deutschland nur auf Rang sieben gelegen hatte.
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