Klein, clever und unglaublich charmant - so hat es der neue Renault R5 aus dem Stand zum Sympathieträger an der Ladesäule geschafft. Und jetzt bekommt er von Alpine auch noch einen gehörigen Schluck Zaubertrank. Denn die sportliche Schwester macht aus den R5 die A290 - traditionell weiblich - und baut so zum Jahreswechsel ihren ersten elektrischen Heißsporn. Der kostet mindestens 38.700 Euro und ist damit rund 6.000 Euro teurer als das Grundmodell.
Dafür tragen die Franzosen außen etwas dicker auf und machen den Kleinwagen zum Kraftmeier: Es gibt markante LED-Zusatzscheinwerfer auf der Haube, die Radhäuser sind etwas weiter ausgestellt und auf den Türen sorgen Plastik-Planken für mehr Breite wie früher die Schulterpolster in den Sakkos.
Dazu gibt es innen tiefer geschnittene Sitze, eine höhere Mittelkonsole für mehr Seitenhalt, ein unten abgeflachtes Lenkrad mit mehr Grip und reichlich digitale Spielereien im Infotainment. So kann sich der Fahrer etwa - freilich nur im Stand - belehren lassen, wie er die ideale Linie findet („Coaching“).
Oder er kann sich der sportlichen Herausforderung real stellen und wie im Videospiel gegen das eigene Auto antreten („Challenges“). Etwa auf einer geschlossenen Rennstrecke oder auf der Straße, wo es dann natürlich nicht um Sportperformance, sondern um vorausschauende Fahrweise geht.
Vor allem aber gibt es mehr Motor Leistung: Wo beim R5 mit 110 kW/150 PS Schluss ist, fängt Alpine bei 130 kW/177 PS erst an und wer 3.200 Euro drauflegt, der bekommt 160 kW/218 PS. Allerdings nur für zehn Sekunden und dann auch nur auf Knopfdruck.
Außerdem wird die Höchstgeschwindigkeit um 20 km/h angehoben, sie haben das Fahrerwerk ein wenig strammer abgestimmt und die Lenkung nachgeschärft. Und wer es wirklich wissen will, der kann jetzt auch die elektronischen Rettungsleinen kappen und das ESP ausschalten.
Die Spielereien auf dem Screen mögen zwar Albernheiten sein für die Generation Playstation. Aber auf dem Papier ist die Alpine damit tatsächlich eine veritable Sportlerin für die Westentasche. Man kann verstehen, weshalb die Theoretiker in der Marketing-Abteilung von der Wiedergeburt des „Hothatch“ fabulieren - also eines sehr sportlichen Kompakten à la Golf GTI & Co.
Dumm nur, dass es in der Praxis damit leider nicht ganz so weit her ist. Stattdessen wirkt es wenig so, als hätte Asterix Druide Miraculix beim Brühen seines Zaubertranks eine entscheiden Zutat vergessen.
Klar beschleunigt die A290 wie ein Großer, wenn sie in 6,4 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 stürmt und die Gummis auf den 19-Zoll-Felgen um Grip wimmern, bis die Elektronik dem wilden Treiben endlich ein Ende macht.
Und natürlich wuselt das Auto um die Kurven fast wie ein Go-Kart auf Speed. Doch wie bei fast jedem elektrischen Sportwagen bis hinauf zum 1408 kW/1914 PS starken Rimac Nevera fehlen der Alpine einfach die Emotionen. Auf Abgase kann man zwar gerne verzichten, doch wenn unter der Haube nichts vibriert und nur ein künstliches Surren die Ohren kitzelt, dann kann sich kein leidenschaftliches Feuer entzünden.
Und mal ehrlich: Weder für einen konventionellen Kleinwagen noch für ein leistungsfähiges Elektroauto sind die 170 km/h Spitze wirklich ein Spitzenwert. Im Rest Europas mag man das anders sehen. Anderseits: Wer auch nur ansatzweise so schnell fährt, der sieht die Reichweite rasant dahinschmelzen.
Denn aus den ohnehin nur 361 Normkilometern des 52-kWh-Akkus werden dann schnell mal 200 und weniger. Und bei maximal 100-kW-Ladeleistung braucht man danach in der Box reichlich Geduld.
Also bleiben am Ende doch eine kurvige Landstraße oder das Gewusel der Großstadt. Und ja, da macht die Alpine natürlich Spaß, weil sie so handlich ist, so gut und satt auf der Fahrbahn liegt, man so ein gutes Gefühl für den Asphalt bekommt und weil man sie mit kleinen, zackigen Lenkbewegungen schnell auch um die engsten Kurven und durch die knappsten Lücken zirkeln kann.
Doch weil schon das Basismodell so gut geworden ist und so viel Laune macht, ist die Alpine den Aufpreis nicht wert. Erst recht, weil viel von dem, was sie mehr könnte, von der Elektronik wieder herunter geregelt wird, damit nicht alle Kraft im Rauch der Reifen aufgeht und er nicht allzu sehr untersteuert. Und wer macht seinen Sport außerdem schon gerne in der Stadt?
Vielleicht liegt es an der großen Vorfreude, die der gelungene Einstand des R5 geschürt hat, vielleicht am mangelnden Mut der Renault-Entwickler, die mit dem Turbo 3E-Concept doch bewiesen haben, dass sie was von Lust, Leidenschaft und Übermut verstehen.
Aber so, wie die Alpine jetzt auf die Straße kommt, kann sie nicht überzeugen. Wie lauwarmer Espresso ohne Koffein wird aus einer schönen Idee so eine leidige Pflichtübung, die dem Hersteller mit geschicktem Marketing mehr Umsatz in die Kasse spült oder den Selbstdarstellern eine Bühne gibt, auf der sie sich vom gemeinen Volk im gewöhnlichen R5 absetzen können.
Aber elektrische Enthusiasten kann man damit kaum überzeugen. Und waschechte Petrolheads erst recht nicht. Die einen brauchen mehr Leistung auf der linken Spur und an der Ladesäule und für die anderen gilt: Ohne Trank gibts keinen Zauber.Datenblatt: Alpine A290
© dpa-infocom, dpa:250102-930-333087/1