Nach Donald Trumps Sieg bei der US-Präsidentenwahl richtet sich der Blick auf den Machtwechsel. US-Präsident Joe Biden versprach eine friedliche Übergabe der Amtsgeschäfte am 20. Januar. Trump hatte im Wahlkampf unter anderem angekündigt, schnell in großem Stil Migranten aus den USA zu deportieren und den Krieg in der Ukraine rasch zu beenden. Der Republikaner und sein Team müssen nun schnell Pläne entwerfen, wie das umgesetzt werden soll.
Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach der Wahl versicherte der amtierende Präsident im Rosengarten des Weißen Hauses: „Am 20. Januar wird es hier in Amerika eine friedliche Machtübergabe geben.“ Zugleich machte Biden den Anhängern seiner Demokraten Mut. „Rückschläge sind unvermeidlich, aber Aufgeben ist unverzeihlich“, sagte er. „Eine Niederlage bedeutet nicht, dass wir besiegt wurden.“ Man müsse für das Amerika, von dem man träume, weiterkämpfen.
Trump setzte sich bei der Wahl klar gegen die demokratische Gegenkandidatin Kamala Harris durch und holte erstmals auch eine deutliche Mehrheit der landesweit abgegebenen Stimmen: Laut US-Medien bekam der Republikaner nach dem bisherigen Auszählungsstand mindestens knapp 73 Millionen Stimmen. Harris erhielt demnach fast fünf Millionen Stimmen weniger, rund 68 Millionen.
Trump hatte sich nach seiner Niederlage gegen Biden vor vier Jahren geweigert, das Ergebnis anzuerkennen. Er versuchte erfolglos, es vor Gerichten anzufechten, und blieb auch Bidens Amtseinführung fern. Als Wahlsieger nahm Trump eine Einladung Bidens für ein Gespräch im Weißen Haus an.
Biden nutze seine Rede auch, um die Verlässlichkeit des demokratischen Prozesses in den USA zu betonen. „Ich hoffe, dass wir die Frage nach der Integrität des amerikanischen Wahlsystems endgültig aus der Welt schaffen können. Es ist ehrlich, es ist fair und es ist transparent, und man kann ihm vertrauen - Sieg oder Niederlage“, sagte der Demokrat.
Trump hatte im Wahlkampf immer wieder Zweifel daran gesät, dass die Abstimmung korrekt ablaufen würde, und die Demokraten beschuldigt, betrügen zu wollen. Es gab die Befürchtung, dass er im Fall einer Niederlage das Ergebnis wieder nicht anerkennen würde.
Für Europa sind vor allem Trumps Pläne mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine von großem Interesse. Wie er den Krieg beenden will, ließ der neugewählte Präsident stets offen. Aber dem „Wall Street Journal“ zufolge gibt es erste Vorschläge in seinem Umfeld. Eine der Ideen sei, dass die Ukraine versprechen solle, mindestens 20 Jahre lang nicht der Nato beizutreten. Im Gegenzug würden die USA das Land weiterhin mit Waffen versorgen. Zu dem Plan gehöre auch eine entmilitarisierte Zone entlang des Frontverlaufs, hieß es unter Berufung auf informierte Personen.
Der Kreml zeigte sich derweil offen für ein Telefonat des russischen Staatschefs Wladimir Putin mit Trump. Dies müsse aber von der US-Seite initiiert werden, hieß es.
Nach ersten Plänen will sich Trumps Team zunächst darauf konzentrieren, massenhaft strafrechtlich auffällige Migranten ohne Papiere aus den USA abzuschieben, wie der Nachrichtensender CNN berichtete. Eine offene Frage dabei sei der Umgang mit Einwanderern, die als Kinder in die USA gekommen seien und sich inzwischen ein Leben in dem Land aufgebaut hätten.
Für die Einrichtung von Abschiebezentren, in denen die Menschen sich bis zum Verlassen der USA aufhalten sollen, wolle Trumps Regierung auf private Unternehmen setzen, hieß es. Sollten Trumps Pläne Wirklichkeit werden, müsste der Kongress dafür aber zunächst die nötigen Mittel genehmigen. Der 78-Jährige und seine Verbündeten im Kongress wollen so schnell wie möglich viel des teils radikalen Regierungsprogramms durchdrücken.
Auch die Justiz dürfte Trump fortan kaum noch in die Quere kommen: Sonderermittler Jack Smith prüfe die Einstellung zweier laufender Verfahren nach Bundesrecht gegen Trump, berichteten mehrere US-Medien übereinstimmend.
Zudem wollten Trumps Anwälte beantragen, die auf den 26. November angesetzte Verkündung des Strafmaßes in Trumps New Yorker Verfahren abzusagen. Der designierte Präsident wurde in dem Prozess bereits wegen der Verschleierung von Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin schuldig gesprochen.
Hinter den Kulissen sollen bereits Sondierungsgespräche für Trumps neue Regierungsmannschaft begonnen haben. Es kursieren diverse Namen von schrillen Trump-Verbündeten, die wichtige Posten übernehmen könnten - darunter der Tech-Milliardär Elon Musk, der umstrittene Ex-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, sowie der Impfgegner und zeitweilige Präsidentschaftskandidat Robert F. Kennedy. Der republikanische Senator Marco Rubio soll als neuer Außenminister im Gespräch sein, Trumps loyaler früherer Chefdiplomat Mike Pompeo für das wichtige Verteidigungsressort.
Die Republikaner konnten den Demokraten bei der Abstimmung am Dienstag auch die Mehrheit im US-Senat abnehmen. Sie halten bereits 52 der 100 Sitze - und es könnten noch ein paar mehr werden.
In der anderen Parlamentskammer, dem Repräsentantenhaus, war zunächst weiter unklar, ob die Republikaner ihre Mehrheit dort verteidigen können. Die Auszählung könnte noch mehrere Tage dauern. Falls ihnen dies gelingen sollte, wäre Trump in einer noch machtvolleren Position, weil er dann quasi ungehindert durchregieren könnte.
Die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl müssen in den Bundesstaaten noch bis zur letzten Stimme ausgezählt und zertifiziert werden. Bis zum 11. Dezember muss das offizielle Ergebnis feststehen. Am 17. Dezember kommen die Wahlleute in den Bundesstaaten zur Abstimmung zusammen. Am 3. Januar tagt der neu gewählte Kongress zum ersten Mal.
Am 6. Januar kommen dann Repräsentantenhaus und Senat gemeinsam zusammen, um das Wahlergebnis formal zu bestätigen. Den Vorsitz in dieser Sitzung übernimmt die amtierende Vizepräsidentin, also Harris. Nach der Wahl 2020 war es bei dieser Sitzung zum Sturm auf das Kapitol durch Trumps Anhänger gekommen.
Am 20. Januar steht schließlich der Machtwechsel an: Der neue Präsident wird in einer feierlichen Zeremonie am Kapitol vereidigt. Die neue Regierung nimmt im Anschluss sofort ihre Arbeit auf.
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