VW Iltis auf Härteprüfung durchs Hinterland | FLZ.de

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Veröffentlicht am 08.03.2022 04:32

VW Iltis auf Härteprüfung durchs Hinterland

Zweckmäßiges Gerät: Für eine rustikale Rallye erweist sich der VW Iltis Dank seiner Geländegängigkeit als Glücksgriff. (Foto: Craig Pusey Photography/dpa-tmn)
Zweckmäßiges Gerät: Für eine rustikale Rallye erweist sich der VW Iltis Dank seiner Geländegängigkeit als Glücksgriff. (Foto: Craig Pusey Photography/dpa-tmn)
Zweckmäßiges Gerät: Für eine rustikale Rallye erweist sich der VW Iltis Dank seiner Geländegängigkeit als Glücksgriff. (Foto: Craig Pusey Photography/dpa-tmn)

Mercedes SL, BMW 328 und zur Not auch VW Käfer - es gibt bessere Autos für eine Oldtimer-Rallye als den VW Iltis. Schließlich ist der 1978 präsentierte Geländewagen mit seinem 55 kW/75 PS starken 1,7-Liter-Motor nicht nur hoffnungslos untermotorisiert. Er kommt selbst bei Vollgas kaum über Tempo 120.

Unter seinem Flatterverdeck, gegen das jedes Campingzelt solide wirkt, zieht es so sehr, dass man ihn ab September kaum mehr aus der Garage holen möchte. Im Winter schon gar nicht. Es scheint also ein Wunder zu sein, dass der Iltis zu den Stars bei der letzten Ausgabe der Le Jog im Dezember 2021 zählte. Aber eben nur scheinbar.

Bei dieser Winterrallye wird ein Tross von knapp 100 Oldtimer-Teams mitten in der ungemütlichsten Zeit des Jahres einmal längs über die britische Insel gejagt.

Es ist keinesfalls nur Mitleid, das dem rustikalen Rentner aus der VW-Sammlung hier entgegengeschlagen ist. Sondern auch Respekt und Anerkennung. Und bisweilen sogar ein bisschen Neid. Denn wer sich einmal im dicksten Winter auf schlechtesten Nebenstraßen und besseren Feldwegen durch die Low-, die Mid- und die Highlands gekämpft hat, der weiß warum.

Und der Iltis hat nicht nur eine Karriere in Uniform hingelegt, denn er ist eigens für den harten Offroad-Einsatz bei der Bundeswehr entwickelt worden. Er ist auch ein Sportwagen. Oder zumindest so etwas ähnliches.

Denn mit dezenter Leistungssteigerung auf gut 74 kW/100 PS gewann er 1980 als Startnummer 137 die Rallye Paris-Dakar, so Sascha Neumann von der VW-Klassik-Sammlung. Und auf den Plätzen zwei, vier und neun fanden sich gleich noch mal drei Iltis. Er sieht darin den Beweis für die Qualität des Autos: „Vier Iltis am Start und alle vier Autos unter den ersten Zehn im Ziel.“

Was dem Iltis an Speed fehlt, macht er mit Stehvermögen wett. Und spätestens mit zugeschaltetem Allradantrieb kennt er kein Halten mehr.

Und den braucht er oft auf dem Weg von Land’s End nach John o’Groats, von dem die Rallye ihren Namen hat. Es geht über Wald- und Feldpisten, durch Moore und Gebirge, über Strände und Steppen, durch Furten und über Viehgitter. Und immer wieder durch Dörfer, deren Namen man nicht einmal nach drei Gläsern Highland Malt flüssig aussprechen kann.

Aber genau wie vor über 40 Jahren als Startnummer 137 fährt der Iltis auch diesmal aufs Treppchen und sichert dem Team 54 zumindest in seiner Gruppe den dritten Platz. Viel Ruhm für einen Rentner.

Ein Ehrenplatz in Konzernhistorie gebührt dem Iltis aber nicht nur wegen des überraschenden Erfolgs damals in der Wüste. Sondern wegen jener technischen Besonderheit, die ihn auch zum Traumwagen für unseren abenteuerlichen Trip ans Ende der englischen Welt macht: Sein zuschaltbarer Allradantrieb.

Denn es war das unschlagbare Fahrverhalten eines Iltis-Prototypen bei Erprobungsfahrten im Winter, das bei Audi zur Idee führte, Allradantrieb auch in sportliche Straßen-Pkw einzubauen - was der Autowelt schließlich 1980 den Ur-Quattro bescherte.

Ausschlaggeber für die Iltis-Entwicklung war aber das Militär. Denn in den 1970er Jahren war der vom Audi-Vorläufer DKW entwickelte Munga reif fürs Altenteil. Die Bundeswehr suchte händeringend einen neuen Geländegänger. Weil der VW-Kübelwagen mit seinem reinen Heckantrieb fürs Grobe zu fein war und sich der geplante Euro-Jeep in multinationalen Vertragsverhandlungen festgefahren hatte, nutzte Wolfsburg die Lücke. Man machte dem Militär ein Angebot.

Obwohl die Niedersachsen bis dahin keinen echten Offroader gebaut hatten, wollten sie bis 1977 unter dem Code EA 110 zehn Prototypen eines neuen Geländewagens entwickeln. Der ging im November 1978 als Iltis in Serie, berichtet VW-Experte Neumann. Die Armee war zufrieden und nahm die vereinbarten Exemplare vertragsgerecht ab.

Schon Anfang 1979 trugen 2000 Iltis eine Uniform und bis Ende 1981 hatte die Bundeswehr insgesamt 8800 Fahrzeuge für den Sanitäts- und Nachrichtendienst übernommen. Allerdings war dann 1982 nach nur fünf Jahren und 10.801 Einheiten hierzulande Schluss. Der Iltis ging noch bei Bombardier in die Verlängerung und wurde in Kanada fast unverändert weitere 4500 Mal gebaut. Doch dann verschwand er 1988 vom Markt.

In der Oldtimerszene hat es der Iltis nie so richtig zu Ruhm gebracht. „Während seiner Laufzeit ist er bei den Privatkunden glatt durchgefallen, weil er schlicht zu teuer war“, sagt Frank Wilke, Experte vom Marktbeobachter von Classic Analytics. „Mit knapp 40.000 D-Mark kostet der Viersitzer damals fast dreimal so viel wie ein Golf.“ Kein Wunder also, dass nicht einmal zehn Prozent der Fahrzeuge im Freizeitlook daherkamen.

Wo andere Oldtimer aus der Offroad-Szene mittlerweile hohe Preise erzielen, laufe der Iltis deshalb noch immer eher als Gebrauchtwagen denn als Klassiker. Es gib den Rallye-Rentner nach den Daten von Classic Analytics heute für 12.000 Euro.

© dpa-infocom, dpa:220307-99-421448/5

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