Die Hühnerhaltung boomt in Deutschland: In immer mehr privaten Gärten laufen Hühner umher und versorgen ihre Halter mit gesunden Eiern. Die Kehrseite dieses Booms: Nicht immer werden die Tiere gut gehalten, Tierschützer berichten zudem von ausgesetzten Hühnern und Hähnen.
So wurden letztes Jahr in Salzgitter neun Hühner in zugeknoteten Müllsäcken gefunden, in Berlin wurden Hühner in Kartons auf dem Balkon gehalten und Küken ausgesetzt. Auch der Hamburger Tierschutzverein nimmt immer wieder ausgesetzte sowie beschlagnahmte Hennen und Hähne auf - dieses Jahr waren es bis Mitte Mai bereits 15, wie Sven Fraaß von den Hamburger Tierschützern berichtet.
„Durch Corona hat der Trend zur Selbstversorgung inklusive Hühnerhaltung noch einmal zugenommen“, erzählt er. Im Jahr 2020, also zu Beginn der Pandemie, hatten die Hamburger Tierschützer 44 ausgesetzte Hühner aufgenommen, doppelt so viele wie im Jahr zuvor.
Denn die malerische Vorstellung von glücklichen Hühnern und einem stolzen Hahn im Garten hat nicht immer etwas mit der Realität zu tun. Auch Hühner haben Ansprüche und machen Arbeit, sie wollen einen geschützten Stall mit Einstreu, Sitzstangen und Rückzugsmöglichkeiten sowie einen gepflegten Auslauf und natürlich regelmäßig Futter.
Für Probleme sorgt allerdings in den meisten Fällen die Haltung eines Hahns. „Das sind Machos und es gibt viel mehr Hähne als Plätze für sie“, erklärt Fraaß. Nicht alle krähen nur mal zum Sonnenaufgang, sondern sie finden auch tagsüber Grund zum lautstarken Krakeelen. Probleme mit den Nachbarn sind da oft vorprogrammiert.
Doch die Hauptschwierigkeit liegt darin, dass ein Hahn sein Harem nicht mit einem anderen Hahn teilt. Wer also die Hühnerhaltung aufgibt, bekommt die weiblichen Tiere zwar in der Regel verkauft oder verschenkt, aber den Hahn möchte meist niemand haben.
Auch Menschen, die ihre Hühner brüten lassen, sorgen damit für Probleme. „Eine Nachzucht sollte man möglichst vermeiden, wenn man keinen Platz für Hähne hat. Denn bei Küken besteht das Geschlechterverhältnis 1:1“, sagt Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund in Bonn.
Die Wahrscheinlichkeit ist also groß, dass unter den süßen Küken auch männliche Vertreter sind, die zu stolzen Hähnen heranwachsen - und sich dann heftig mit ihren Geschlechtskollegen in die Federn kriegen. Bei den Hahnenkämpfen können die Tiere schwer verletzt oder sogar getötet werden.
Für einen Hahn einen neuen Platz zu finden, ist laut Schmitz „schwer bis unmöglich“. Das ist auch die Erfahrung von Fraaß. Keiner wolle Hähne haben, auch wenn sie schön seien, sagt er. Es mache auch wenig Sinn, einen Hahn alleine zu halten. Sie wollten eine Aufgabe haben, ohne Hennen langweilten sie sich.
Umgekehrt kommen die Hennen meist ganz gut ohne Hahn aus, sie legen auch so Eier. Einen Vorteil hat der Hahn allerdings: Das Leben in der Hühnerherde ist mit ihm entspannter, denn er vermittelt laut Schmitz Sicherheit und schlichtet Streit.
Einen Hahn auszusetzen, ist natürlich keine Lösung, sondern für das Tier eine Katastrophe. „Sie sind in Freiheit völlig überfordert, finden keine Nahrung, werden krank und sind letztlich eine einfache Beute zum Beispiel für Füchse“, erklärt Fraaß. Er empfiehlt Menschen, die einen ausgesetzten Hahn finden, sich an das nächste Tierheim oder einen Gnadenhof zu wenden.
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