Vier Monate nach dem tödlichen Zusammenstoß zweier Züge in Schäftlarn bei München mehren sich Hinweise auf einen Fehler von einem der beiden Lokführer. Nach einem Zwischenbericht der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung soll der damals 54-Jährige im Februar zunächst ein Haltesignal überfahren und dann die automatisch eingeleitete Zwangsbremsung ausgehebelt haben.
Gegen den Mann, der selbst schwer verletzt wurde, wird wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Bei dem Bahnunglück starb ein junger Mann. Über den Bericht der Bundesbehörde zu der Kollision zweier Münchner S-Bahnen hatte zunächst der „Spiegel“ berichtet.
Die Staatsanwaltschaft hält den Bericht der staatlichen Unfalluntersucher allerdings für nicht so relevant für die strafrechtliche Bewertung. Er sei „nur ein Puzzleteil von vielen“, sagte Oberstaatsanwältin Anne Leiding von der Staatsanwaltschaft München I am Donnerstag zu dem Dokument. Die Ermittlungen dauerten an, betonte sie. Ob es zu einer Anklage komme, sei noch unklar.
In dem Papier der Bundesstelle heißt es, dass nach bisherigen Erkenntnissen „ein Arbeitsfehler des Triebfahrzeugführers (...) primär ursächlich für den Eintritt der Zugkollision in Ebenhausen-Schäftlarn“ gewesen sei. Erst sei der Mann an einem Halt-Signal vorbeigefahren und habe sich auch danach falsch verhalten: „Er beachtete die betrieblichen Regeln nach Erhalt einer Zwangsbremsung durch die punktförmige Zugbeeinflussung (PZB) nicht und setzte die Fahrt unzulässig in Richtung des eingleisigen Streckenabschnittes in Richtung Baierbrunn fort.“
Die Behörde verweist auf ähnliche Fälle, die es bereits gab, insbesondere einen Unfall im August 2014 im Mannheimer Hauptbahnhof. Damals gab es vier Schwerverletzte und mehrere Leichtverletzte beim Zusammenstoß eines Güter- und eines Personenzuges.
Die bisherigen Maßnahmen zur Vermeidung schwerwiegender Fehlhandlungen des Bahnpersonals seien zwar sinnvoll gewesen, aber nicht ausreichend, folgern die Unfalluntersucher des Bundes. „Es wird empfohlen im Sicherheitsmanagementsystem der Eisenbahnen Prozesse zu entwickeln beziehungsweise zu verbessern, mit denen sich die Wirksamkeit der Einhaltung der Regeln nach Eintreten einer PZB-Zwangsbremsung effektiv überprüfen lassen.“ Die Fahrzeugtechnik sollte auch so erweitert werden, dass Lokführern nach Eintritt einer solchen Zwangsbremsung ein angemessener Zeitraum zum Nachdenken und Handeln bleibe.
Bei dem Zusammenstoß zweier S-Bahnen der Linie 7 auf der eingleisigen Strecke am 14. Februar in Oberbayern südlich von München waren ein 24-Jähriger uns Leben gekommen und zahlreiche Menschen teils schwer verletzt worden. Die Einsatzkräfte hatten damals von 18 Verletzten berichtet, die in Kliniken gekommen seien. In dem Dokument der Bundesstelle ist sogar von zehn Schwer- und 47 Leichtverletzten die Rede.
Erst Anfang Juni war es in Garmisch-Partenkirchen zu einem weiteren schweren Bahnunglück in Bayern gekommen. Dort war eine Regionalbahn nach München entgleist. Fünf Menschen starben, nahezu 70 wurden verletzt. Die Strecke dort ist bislang weiterhin gesperrt.
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