Angst ist etwas Natürliches, eine Phobie aber ist die Extremform davon und oft irrational. Betroffene wissen meist selbst nicht, warum sie etwa in Panik geraten, wenn sie in engen Räumen sind oder Krabbeltiere sehen. Eine Expertin gibt Antworten auf die grundlegenden Fragen.
Phobien sind intensive und anhaltende Angstzustände, die durch spezifische Objekte, Situationen oder Aktivitäten ausgelöst werden. Was genau, kann sehr vielfältig sein: „Es gibt nichts, was es nicht gibt“, sagt Prof. Petra Beschoner. Sie ist Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin und ärztliche Leiterin der Akutklinik Bad Saulgau in Baden-Württemberg.
Bekanntere Formen der Phobie sind Akrophobie, auch Höhenangst genannt, soziale Phobie (Angst vor zwischenmenschlichen Kontakten), Aviophobie (Flugangst) oder Arachnophobie (Angst vor Spinnen). Aber auch Spritzen, enge Räume oder das Überqueren von Brücken können starke Ängste auslösen. Menschen, die sich davor fürchten, das Haus zu verlassen oder sich in Menschenmengen aufzuhalten, leiden mitunter an einer Agoraphobie.
Die genauen Ursachen von Phobien sind nicht vollständig geklärt, aber es wird angenommen, dass sowohl genetische als auch Umweltfaktoren eine Rolle spielen. Häufig entwickeln sich Phobien in der Kindheit oder Jugend und können durch traumatische Ereignisse oder das Erlernen von Ängsten durch Beobachtung, etwa von Eltern oder Geschwistern, entstehen.
Typische Symptome einer Phobie sind intensive Angst oder Panik, die beim Kontakt mit dem Auslöser auftritt. Dies kann zu körperlichen Reaktionen wie Herzklopfen, Schweißausbrüchen, Zittern oder Atembeschwerden führen.
Oft versuchen Betroffene, die angstauslösenden Situationen zu vermeiden, was zu erheblichen Einschränkungen im Alltag führen kann.
Phobien sind sehr individuell und meist unterschiedlich stark ausgeprägt. „Es ist wichtig zu differenzieren, inwieweit die Symptome den Alltag einschränken“, erklärt Beschoner.
Wer sich vor Mäusen fürchtet, aber ohnehin nicht mit ihnen in Berührung kommt, verspürt häufig keinen großen Leidensdruck. Wenn jedoch soziale Kontakte oder Urlaube unmöglich werden oder nette Grillabende aufgrund von Ängsten vor Krabbeltieren frühzeitig enden, ist es Zeit zu handeln.
Es gibt verschiedene Ansätze zur Behandlung und Bewältigung von Phobien. Eine davon ist die kognitive Verhaltenstherapie (CBT). „Grundsätzlich lassen sich Phobien gut behandeln. Die kognitive Verhaltenstherapie unterstützt Betroffene dabei, ihre Gedankenmuster zu verstehen und zu verändern“, sagt Beschoner.
Ein wichtiger Bestandteil ist die Expositionstherapie, bei der Betroffene schrittweise und kontrolliert mit dem Angstauslöser konfrontiert werden. Das ist elementar, denn viele neigen im Alltag dazu, zahlreiche Sicherheitsmaßnahmen zu entwickeln, wie Beschoner erklärt. Wer beispielsweise Angst vor dem Erbrechen hat, könnte ständig eine Tüte bei sich tragen oder nicht ohne Medikamente und eine Begleitperson das Haus verlassen. „Solche zwanghaften Rituale signalisieren der Psyche jedoch nur noch mehr, wie berechtigt die Sorge vor dem persönlichen Trigger ist“, so die Expertin.
Durch Expositionsübungen, bei denen sich Patienten Schritt für Schritt ihrer spezifischen Angst stellen, erleben sie, wie sie dadurch mit der Zeit abnimmt. Je häufiger sich Betroffene bewusst in solch kritische Situationen begeben, umso deutlicher lernt die Psyche: „Mir passiert nichts.“
Beschoner: „Manchmal reichen schon wenige Therapiesitzungen aus, um eine Phobie erfolgreich zu behandeln, in anderen Fällen dauert es länger. Grundsätzlich geht es dabei immer darum, sich seiner Furcht zu stellen – auch wenn dies Überwindung kostet.“ Wer Angst auslösende Situationen hingegen vermeidet, verstärke die Symptome nur noch mehr: „Nicht selten entwickelt sich daraus eine zusätzliche Angst vor der Angst.“
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