Das ungewöhnlich starke Frühjahrshochwasser richtet in Teilen Russlands und Kasachstans weiter große Zerstörungen an. Der Fluss Tobol im Süden Sibiriens stieg am Sonntag rasch an und drohte Teile der Gebietshauptstadt Kurgan mit 330.000 Einwohnern zu überfluten.
„Das Wasser dringt in die Stadt ein“, schrieb Gebietsgouverneur Wadim Schumkow auf seinem Telegram-Kanal. Flussaufwärts standen bereits viele Dörfer unter Wasser. Schumkow rief die Menschen auf, die vom Wasser bedrohten Gebiete sofort zu verlassen. „Nehmen Sie ihre Familien, Dokumente, Wertsachen und gehen Sie möglichst früh!“, schrieb er.
Rettungskräften im Gebiet Kurgan gelang es, eine fortgeschwemmte Brücke aus der Strömung zu ziehen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Tass meldete. Wenn sich die Brücke verkeilt hätte, hätte sie als Sperre den Wasserstand erhöht.
Eine leichte Entspannung gab es dagegen in der Halbmillionenstadt Orenburg am Fluss Ural, wo die Flut ihren Scheitel überschritt. Nach Behördenangaben hatte dort ein Höchststand von 11,87 Meter geherrscht - fast 2,5 Meter über der als kritisch definierten Marke. Am Sonntag fiel der Wasserstand erstmals um etwa fünf Zentimeter. Luftaufnahmen zeigten, dass sich der Süden der Stadt in einen großen See verwandelt hat. Von Hunderten einstöckigen Häusern ragt nur das Dach aus den Fluten. Die wichtigste Brücke über den Fluss Ural war unpassierbar; damit waren die Stadtteile voneinander abgeschnitten.
Die Zahl der Evakuierten sei bisher auf 16.500 Menschen gestiegen, teilte die Verwaltung mit. Flussaufwärts am Ural in der Stadt Orsk, die vor etwa zehn Tagen als erste Stadt von den Überschwemmungen getroffen worden war, wurde bereits ein deutlicherer Rückgang verzeichnet. Seit dem Vortag sei das Wasser aus mehr als 1500 Häusern und 1400 Gärten abgelaufen, teilte die Regionalverwaltung mit.
Nach einem schneereichen Winter fällt das Frühjahrshochwasser im geografischen Grenzgebiet zwischen Europa und Asien besonders stark aus. Die Schäden an den vollgelaufenen Häusern treffen Hunderttausende Menschen. Auf russischer Seite beklagen Einwohner, dass die Behörden zu spät auf die Gefahr reagiert hätten.
Der Fluss Ural kommt aus dem gleichnamigen Gebirge und fließt von Russland weiter nach Kasachstan. Auch dort stehen viele Dörfer unter Wasser. Die Behörden brachten bislang 102.000 Menschen in Sicherheit, wie die kasachische Botschaft in Berlin unter Berufung auf die Zivilschutzbehörden in Astana berichtete. Fast die gleiche Zahl von Nutztieren sei an sichere Orte gebracht worden. Bisher seien bereits knapp 1100 Tonnen humanitäre Hilfe in die betroffenen Regionen im Norden Kasachstans gebracht worden.
Angesichts der Notlage und der Hilfsmaßnahmen, für die die kasachische Regierung große finanzielle Mittel aufbringen muss, sagte Präsident Kassym-Schomart Tokajew das für Mitte Juni geplante Astana International Forum ab. Das Forum, bei dem Vertreter aus Politik und Wirtschaft aus aller Welt über aktuelle Themen diskutieren, solle aber im kommenden Jahr wieder zusammenkommen, schrieb Tokajew auf der Plattform X (ehemals Twitter).
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