Zugunglück: Kommt im Frühjahr ein Strafprozess? | FLZ.de

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Veröffentlicht am 02.01.2025 10:36, aktualisiert am 02.01.2025 10:38

Zugunglück: Kommt im Frühjahr ein Strafprozess?

Drei Bahnmitarbeitern droht als Konsequenz aus dem tödlichen Zugunglück von Garmisch ein Strafprozess. (Archivfoto)  (Foto: Uwe Lein/dpa)
Drei Bahnmitarbeitern droht als Konsequenz aus dem tödlichen Zugunglück von Garmisch ein Strafprozess. (Archivfoto) (Foto: Uwe Lein/dpa)
Drei Bahnmitarbeitern droht als Konsequenz aus dem tödlichen Zugunglück von Garmisch ein Strafprozess. (Archivfoto) (Foto: Uwe Lein/dpa)

Entgleiste Waggons, zersplitterte Scheiben, Trümmer: Die Bilder des Zugunglücks bei Garmisch-Partenkirchen haben sich eingeprägt. Gegen 12.15 Uhr am 3. Juni 2022, dem letzten Schultag vor den Pfingstferien, entgleiste dort ein Regionalzug. Vier Frauen und ein 13-Jähriger starben. 78 Menschen wurden teils schwer verletzt. Bis heute sind viele Fragen offen, es gibt keinen Abschlussbericht über die Ursache. Bald aber könnte es in einem Strafprozess um mögliche Verantwortlichkeiten gehen.

Bereits vor einem Jahr, kurz vor Weihnachten 2023, hatte die Staatsanwaltschaft München II Anklage gegen drei Bahnmitarbeiter wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung erhoben. 

Zwar gibt es noch immer keinen offiziellen Termin für einen möglichen Prozess und die Beschuldigten sind nicht in Haft. Mehrere Termine im Mai sind aber dem Vernehmen nach bereits reserviert, für den Fall, dass die Kammer die Anklage zur Hauptverhandlung zulässt. Das wird derzeit noch geprüft, somit ist offen, ob es überhaupt einen Prozess gibt.

Komplexes Verfahren

„Das Verfahren ist sehr komplex, es geht nicht zuletzt um eine Reihe von sehr technischen Fragestellungen“, sagte Gerichtssprecher Laurent Lafleur. „Auch die Zuordnung einer möglichen Verantwortlichkeit zu den drei Angeschuldigten ist keine einfach zu beantwortende Frage.“

Zunächst war gegen fünf Mitarbeiter der Bahn ermittelt worden. In zwei Fällen wurden die Verfahren eingestellt. 

Nach dem zweiten Zwischenbericht der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU), vorgelegt zum weiten Jahrestag des Unglücks im vergangenen Juni, waren von außen teils nicht erkennbare Materialschwächen aufgrund chemischer Reaktionen nach dem Herstellungsprozess an den Bahnschwellen eine wesentliche Ursache für das Unglück. Die Untersuchungen zeigten chemische Reaktionen auf, die sich nach dem Herstellungsprozess von Betonbauteilen entwickelten und zu Schädigungen führten. 

Dem Bericht zufolge hatte die Bahn bereits 2018 Vorschriften erlassen, wie materialbedingte Fehler an den Schwellen, die es seit jeher gab, erkannt werden können - und zwar durch Augenschein. Was allerdings damals offensichtlich nicht klar war: Schäden und Risse sind von außen teils nicht zu sehen. 

Wer trägt Verantwortung? 

Doch wer verantwortlich dafür sein könnte, dass dies nicht erkannt wurde, blieb bei der BEU offen. Sie empfahl als Konsequenz unter anderem, „ein technisches Verfahren zur vollumfänglichen Prüfung des Zustandes von Spannbetonschwellen aller Hersteller im eingebauten Zustand zu entwickeln“. Und: „Es wird empfohlen, eine zentrale Rückverfolgbarkeit verbauter Spannbetonschwellen zu gewährleisten.“ 

Denn, so die BEU: „Die inneren Schädigungen waren bei den untersuchten Spannbetonschwellen deutlich höher als von außen erkennbar. Zudem fand die Rissbildung teilweise in dem durch Schotter, Schiene und Kleineisen bedeckten Bereich statt.“ Die BEU hatte bereits in ihrem ersten Zwischenbericht vor einem Jahr dargelegt, dass marode Schwellen Hauptursache des Unglücks waren. 

Die Bahn hatte als Konsequenz aus dem Unglück eine Überprüfung der Schwellen bundesweit gestartet und Hunderttausende Schwellen ausgetauscht. 

Welche konkreten Versäumnisse die Staatsanwaltschaft wem vorwirft, ist bisher nicht bekannt. Im Raum stand nach dem Unglück der offiziell unbestätigte Vorwurf, bei der Bahn sei eine Warnung bezüglich der späteren Unfallstelle nicht weitergegeben oder entsprechend beachtet worden. 

Spekuliert wurde ferner von verschiedener Seite auch, ob es einen Zusammenhang mit der Verlegung eines Wildbaches im Zuge des Ausbaus der Bundesstraße 2 vor rund 20 Jahren gegeben haben könnte. Der Bach läuft nun zwischen Bundesstraße und Gleis. Das Wasser könne zur Instabilität des sehr hohen Bahndamms beigetragen haben. 

BEU: Untersuchungen nicht abgeschlossen

Die Staatsanwaltschaft München II hatte einen Gutachter mit der Erkundung der geologischen Verhältnisse im Unfallbereich beauftragt. Vorsorglich sei der Streckenabschnitt mit geringerer Geschwindigkeit befahren worden, erläuterte die Bahn kürzlich. Weitere Untersuchungen hätten aber ergeben, dass der Bahndamm sicher sei.

Bei der BEU hieß es allgemein, die Untersuchungen zu dem Unglück seien noch nicht abgeschlossen. Wann ein Abschlussbericht vorgelegt werden könnte, war zum zweiten Jahrestag offen.

Auch wenn die Bahn Konsequenzen aus dem Unglück gezogen und in die Überprüfung und Erneuerung des Schienennetzes investiert hat - die Kritik an früheren Versäumnissen bleibt. Experten zufolge hätten systematische Sanierungen viel früher beginnen müssen.

© dpa-infocom, dpa:250102-930-332793/2


Von dpa
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