Kostenlose Cocktails in den schwarz-rot-goldenen Farben Deutschlands und Eis-Röllchen blau wie die Flagge der Europäischen Union: Zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes zeigt sich die Bundesregierung spendabel.
Bereits zum Auftakt des dreitägigen Demokratiefests zog die Feier zum runden Jubiläum unzählige Menschen ins Berliner Regierungsviertel. Nach dem Auftakt mit dem Staatsakt für die politische Prominenz samt Rede des Bundespräsidenten können nun die Bürgerinnen und Bürger „ihr“ Grundgesetz feiern.
Eine der Hauptattraktionen des ersten Tages war der Kanzler. Eine Stunde nahm sich Olaf Scholz (SPD) beim Bürgerdialog Zeit, um auf einer Bühne Fragen zu beantworten. Dabei gab sich der Hanseat unhanseatisch locker. „Ich war schon da“, rief er dazwischen, als sich eine Fragestellerin mit der Bemerkung vorstellte, sie komme aus Bielefeld - „ja, die Stadt, die es wirklich gibt“. Was die Frau dann zum Ehrenamt ausführte, fand Scholz offenbar gut, jedenfalls meinte er: „Ich werde Ihren Beitrag vielleicht noch mal im Bundestag verwenden, wenn Sie mir das gestatten.“
Weniger Verständnis zeigte Scholz dagegen für einen Fragesteller, der die Behauptung aufstellte, man könne immer weniger frei seine Meinung sagen. Das gelte für Deutschland nicht, hielt ihm der Kanzler entgegen. „In Deutschland kann man frei seine Meinung sagen. Insbesondere kann man frei sagen, man kann ja nicht frei seine Meinung sagen.“ Ob man nun Currywurst esse oder nicht, ob man gendere oder nicht - das könne jeder offen von sich geben.
Was Scholz dann auch gleich für sich selbst in Anspruch nahm: „Die Debatte über Gendern oder Nicht-Gendern kann ich schon nicht mehr hören. Soll es doch jeder machen, wie er es selbst will.“ Wer diesen Bürgerdialog verpasste, hat am Sonntag eine weitere Möglichkeit, um mit dem Kanzler ins Gespräch zu kommen.
Auch zahlreiche seiner Kabinettsmitglieder wie Wirtschaftsminister Robert Habeck, Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), Justizminister Marco Buschmann (FDP) oder Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wollen sich den Fragen der Bürger stellen.
Das Regierungsviertel bot einen ungewohnten Anblick: Auf dem weitläufigen Areal an der Spree rund um das Bundeskanzleramt und das Paul-Löbe-Haus des Bundestags standen kleinere und größere Zelte. Dort stellen noch bis zum Sonntag Hilfsorganisationen, Gewerkschaften oder gemeinnützige Einrichtungen ihre Arbeit vor. Die Bundesregierung ist mit größeren Ständen vertreten und informiert über ihre Arbeit.
Es geht jedoch nicht nur um ernste Politik. So bietet das auch für den Sport zuständige Innenressort einen Kickertisch, beim Familienministerium können T-Shirts selbst gedruckt werden und beim Finanzministerium dreht sich ein Glücksrad - um zu erfahren, was der Begriff Inflation bedeutet.
Ein elfjähriges Mädchen aus Baden-Württemberg wedelte stolz mit seinem „Diplomatenpass“, den das Auswärtige Amt samt Stempeln für Reisen nach Brasilien, Australien und Frankreich ausgestellt hatte. Beliebtes Selfie-Motiv war die lebensgroße Figur „Freddi, der Familienadler“, die durch die Reihen watschelte.
Und die „Lucky Cops“, eine mobile Band der Bundespolizei Hannover, unterhielt mit schwungvoller Musik, während Gäste bei Sonnenschein und Sommerwärme in Liegestühlen chillten. Zum Abschluss am Sonntagabend sollen Deutschlands letzte ESC-Gewinnerin Lena Meyer-Landrut und die Band Die Fantastischen Vier auftreten.
So hat das Demokratiefest zur Feier des Grundgesetzes ein wenig Volksfest- und Open-Air-Charakter. Morgen soll dann nicht nur in Berlin, sondern auch am alten Regierungssitz Bonn an die Verkündung der Verfassung vor 75 Jahren erinnert werden. Dort wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seinen zweiten Amtssitz, die Villa Hammerschmidt, für das Publikum öffnen.
Am Sonntagnachmittag will er dann mit einem Polit-Promi das Demokratiefest in Berlin besuchen - mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, der an diesem Tag seinen Staatsbesuch in Deutschland beginnt.
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