Zu Beratungen über eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Europa kommen heute die Staats- und Regierungschefs zahlreicher afrikanischer Staaten nach Berlin. Hauptthemen der Konferenz „Compact with Africa“ (CwA) sind die Stärkung privater Investitionen auf dem europäischen Nachbarkontinent und die Zusammenarbeit bei nachhaltiger Energieversorgung.
Die Konferenz geht auf eine Initiative Deutschlands im Jahr 2017 während seines Vorsitzes in der Gruppe der G20-Staaten zurück. Diese zielt darauf ab, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den CwA-Staaten zu verbessern, um sie attraktiver für ausländische private Investitionen zu machen.
Inzwischen gehören 13 Länder des afrikanischen Kontinents der Staatengruppe an: Ägypten, Äthiopien, Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Ghana, Guinea, die Demokratische Republik Kongo, Marokko, Ruanda, Senegal, Togo, und Tunesien. Weitere Staaten sind an einer Aufnahme interessiert. Daher kommen auch Vertreter von Angola, Kenia und Sambia nach Berlin.
An dem Gipfel in Berlin nehmen auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident Charles Michel, Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und der niederländische Regierungschef Mark Rutte teil.
Der Gastgeber, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), wird die Konferenz nach Angaben aus Regierungskreisen auch zu mehreren bilateralen Gesprächen mit einzelnen Staats- und Regierungschefs nutzen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Teilnehmer zu einem Mittagessen ins Schloss Bellevue eingeladen.
Nach Angaben von Entwicklungsministerin Svenja Schulze steht die Schaffung nachhaltiger Jobs im Vordergrund. „Was wir jetzt neu und stärker miteinander diskutieren, ist die Qualität dieser Jobs. Wir sind uns einig, dass die Jobs nachhaltig sein müssen, dass sie zu Klimaschutz beitragen müssen“, sagte die SPD-Politikerin im Deutschlandfunk.
Es gehe um Partnerschaft auf Augenhöhe, sagte Schulze. „Wir wollen Lithium, wir wollen Kobalt zum Beispiel für die erneuerbaren Energien aus afrikanischen Ländern haben. Aber wir wollen es so tun, dass da nachhaltige Arbeitsplätze entstehen, dass da keine Kinderarbeit drin ist, dass die Umwelt nicht zerstört wird.“
In Berlin wird eingeräumt, dass auch Mitglieder des „Compact with Africa“ nicht gegen Rückschläge etwa durch Bürgerkriege, Putsche, die Corona-Pandemie oder die Folgen des Ukraine-Krieges gefeit seien. Andererseits zeige die Initiative Wirkung. So hätten sich die CwA-Länder im Vergleich zu den anderen Staaten Afrikas erheblich besser von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie erholt. Im vergangenen Jahr sei ihr Wirtschaftswachstum doppelt so hoch gewesen wie das der anderen afrikanischen Staaten. 2022 hätten die Mitglieder eine Versechsfachung der angekündigten ausländischen Direktinvestitionen im Vergleich zum Vorjahr erzielt.
Umgekehrt profitieren auch Deutschland und Europa von dieser Zusammenarbeit, wie die Bundesregierung betont. Der afrikanische Kontinent ist reich an Bodenschätzen, die auch die deutsche Wirtschaft benötigt und die sie unabhängiger zum Beispiel von China und Russland machen können. Das gilt ebenso für Gas- und Ölvorkommen, die als Übergangsenergiequelle gebraucht werden. Auch nach dem Ausstieg aus fossiler Energie ist der afrikanische Kontinent nach Berliner Lesart durch ein hohes Potenzial an Sonnen- und Windkraft und der Möglichkeit zur Produktion von günstigem grünen Wasserstoff interessant.
Das riesige Potenzial des afrikanischen Kontinents sei bislang nicht ausreichend genutzt worden, heißt es in der Bundesregierung. Dies hänge aber auch mit Defiziten bei Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung von Menschenrechten, mit der verbreiteten Korruption sowie mit praktischen Problemen wie der Konvertierbarkeit von Währungen zusammen. Solche Hindernisse aus dem Weg zu räumen, sei das Ziel von „Compact with Africa“.
Deutschland und Europa böten sich dabei als langfristige, verlässliche Partner an, die auch Wertschöpfung in den Staaten Afrikas schaffen wollten. Im Gegensatz dazu sei beispielsweise China in der Vergangenheit vor allem an der Ausbeutung von Rohstoffen interessiert gewesen, die es dann im eigenen Land weiterverarbeitet habe.
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