Die Wiege ist gekauft, der Ort für die Entbindung bestimmt, die Tasche für die Klinik gepackt. Doch auf was angehende Eltern sich meist nicht vorbereiten, ist die Frage: Was macht das Baby mit unserer Beziehung? „Kinder sind ein großes Glück und eine sehr große Herausforderung“, sagt die Paartherapeutin Nadja von Saldern aus Berlin.
In der Schwangerschaft ist es häufig noch einfach, gemeinsam auf Wolke sieben zu schweben. Doch schon bald nach der Geburt des ersten Kindes folgt der Absturz in die Realität. Die ist in Teilen durchaus bitter: wenig Schlaf, Zeit und Selbstbestimmung, dazu viel Geschrei und Chaos. Auch der Rollenwechsel ist herausfordernd - plötzlich ist man Mutter oder Vater. Wer denkt, er könne sein altes Leben, gekrönt durch ein Kind, weiterleben, wird enttäuscht sein.
„Das alte Leben ist vorbei, darauf sollte man sich einstellen“, rät von Saldern. Vor allem der Verlust der Selbstbestimmung gehe oft tief. Vorbei seien die Zeiten, als man einfach so ins Kino gehen, sich verabreden oder in Ruhe ein Buch lesen konnte. Es geht nicht mehr um einen selbst, sondern um ein kleines hilfloses Wesen, für das man nun verantwortlich ist.
Nina Grimm, Familienpsychologin aus Freiburg, kennt die Probleme aus eigener Erfahrung. Sie und ihr Mann trennten sich, als ihre Tochter ein Jahr alt war. „Ich dachte, dass es mir als einzige so geht“, blickt sie auf die Zeit nach der Geburt zurück, als sie sich völlig überlastet fühlte und daran zweifelte, ob ihr Mann der passende Partner für sie wäre.
Heute sind die beiden wieder zusammen, haben ein zweites Kind bekommen und Grimm weiß: Als Eltern hat man eben nicht alles unter Kontrolle und nicht für jedes Problem sofort eine Lösung parat - das ist normal. „Eigentlich gibt es für die angehenden Eltern nur zwei Gewissheiten: Sie werden Stress haben und sie werden an ihre Grenzen kommen“, sagt Grimm, die über das Thema ein Buch mit dem Titel „Wie ihr euch nicht umbringt, wenn ihr Eltern seid“ geschrieben hat.
Sie rät, sich auf anstrengende Zeiten einzustellen und darüber zu sprechen, wie jeder der beiden Stress zeigt und damit umgeht. Wird man vielleicht wortkarg und kühl? Oder neigt man dazu, sich aufzuregen? Weiß man dies von sich und seinem Partner oder seiner Partnerin, sei es leichter, das entsprechende Verhalten nicht persönlich, sondern als das zu nehmen, was es ist: eine Reaktion auf Stress.
Thema sollte auch sein, was jedem persönlich gegen Stress hilft. Ist es vielleicht die Joggingrunde durch den Wald? Ein Spaziergang? Das Lesen eines Buchs oder das Hören eines Podcasts? Das Elternpaar kann sich unterstützen, wenn es sich gegenseitig solche Auszeiten zugesteht.
Es gibt weitere wichtige Punkte, über die schon vor der Geburt gesprochen werden sollte. „Was ist uns in der Erziehung wichtig? Wie viel Zeit und Raum räumen wir den Schwiegereltern ein? Wie teilen wir uns den Haushalt auf?“, nennt Grimm einige Streitklassiker von jungen Eltern.
In den Konflikten werden oft typische Fehler gemacht. So neigen Frauen laut Grimm bei einem Streit um die Kindererziehung dazu, nur in ihrer Mutterrolle und nicht partnerschaftlich aufzutreten. Die Väter blocken bei den Forderungen der Frau häufig ab, sie möchten sich auf keinen Fall von ihr beeinflussen lassen. „Es geht nicht um „richtig” oder „falsch”, sondern darum, was funktioniert. Das sollte man sich immer wieder vor Augen führen“, gibt die Expertin einen Tipp, wie sich solche Konflikte am besten lösen lassen.
Ein weiteres großes Problem: Die Eltern definieren sich nicht mehr als Paar, sondern nur noch als Mutter oder Vater. Alles dreht sich um das Kleine, miteinander geredet wird ausschließlich in der Elternrolle. In der Vorbereitung für ihr Buch hatte Therapeutin Grimm dazu Eltern befragt. Viele gaben an, dies sei in der anstrengenden Babyzeit der Fall gewesen - doch danach hätten sie sich als Paar wieder entdeckt. Wenn das Kind also durchschläft, vielleicht auch mal woanders übernachtet und generell seinen Radius erweitert, kann sich der Fokus wieder mehr auf den Partner richten.
Allerdings ist das nicht selbstverständlich. Fast jedes zweite Paar gab bei der Studie von Grimm an, sich nach der Familiengründung dauerhaft als Paar verloren zu haben. „Sie fungieren gut als Elternteam, aber die Paarebene ging flöten. Sie leben in einer Art Zweck-WG“, sagt die Therapeutin.
Diese Erfahrungen hat auch ihre Kollegin von Saldern in ihrer Praxis gemacht. „Kein Sex, keine guten Gespräche, das höre ich immer wieder. Dazu der Satz „Es ist halt jetzt so”“, berichtet sie. Wenn sich dieser Umgang miteinander in eine Beziehung über längere Zeit eingeschlichen hat, falle eine Änderung schwer. Die Beziehung wird anfällig, der Schritt zu einer Affäre oder zu einem neuen Partner liegt unter Umständen nah.
Um es nicht so weit kommen zu lassen, sollte das Paar einander zugewandt bleiben und den anderen nicht nur als Vater oder Mutter, sondern auch als Partner sehen. Dazu gehören gegenseitiges Verständnis, Wertschätzung, Gespräche, liebevolle Gesten - auch wenn man sich damit vielleicht gerade überfordert fühlt. „Der größte Beziehungskiller ist es, wenn man die Liebesannäherung des anderen nicht mehr sieht, weil sich alles nur noch um das Kind dreht“, sagt von Saldern.
Ihre Kollegin Grimm rät, die Beziehung zum Partner „zur Prio eins“ zu machen. Dazu gehöre, den Wäscheberg auch mal stehen zu lassen und das Kind zur Oma zu bringen, damit man Zeit füreinander habe.
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