Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit der Frage beschäftigt, ob und wann ein Unternehmen mit Klimaneutralität werben darf. Die Frankfurter Wettbewerbszentrale hatte gegen den Lakritz- und Fruchtgummihersteller Katjes geklagt, weil das Unternehmen in einem Lebensmittel-Fachblatt damit geworben hatte, alle seine Produkte würden klimaneutral produziert.
Der Herstellungsprozess selbst ist nicht emissionsfrei, das Unternehmen unterstützt aber zum Ausgleich Klimaschutzprojekte. Die Werbung sei daher irreführend, findet die Klägerin. Dem Verbraucher seien wichtige Informationen - etwa über die Art und Weise, wie die Klimaneutralität hergestellt wird - vorenthalten worden.
Nach der Verhandlung am höchsten deutschen Zivilgericht sieht die Wettbewerbszentrale ihre Position in dem Rechtsstreit gestärkt. Geschäftsführer Reiner Münker erklärte in Karlsruhe, er gehe nach der vorläufigen Einschätzung des Senats davon aus, dass dieser an den bisherigen strengen Anforderungen für Umwelt- und Klimaaussagen in der Werbung festhalten wolle. Er gehe mit einem guten Gefühl aus der Verhandlung. Der Vorsitzende Richter hatte zu Beginn der Verhandlung betont, dass für umweltbezogene Werbung strengere Regeln gelten. Wann in dem Verfahren ein Urteil verkündet wird, ist noch unklar.
Mit der Klage auf Unterlassung hatte die Wettbewerbszentrale in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf argumentierte, Verbraucher verstünden den Begriff „klimaneutral“ im Sinne einer ausgeglichenen CO₂-Bilanz. Sie wüssten, dass die Neutralität auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden könne. Entscheidend sei, dass Katjes online ausreichend darüber informiert habe, wie die Klimaneutralität der Produkte erreicht werde, so das Gericht. Über einen QR-Code konnten Leser der Fachzeitschrift auf einer Website an mehr Informationen hierzu gelangen.
Der Wettbewerbszentrale reicht das nicht aus. Angaben darüber, wie die Klimaneutralität erreicht wird, hätten schon in der Werbung selbst auftauchen müssen, sagt Münker - am besten aufgeteilt danach, was das Unternehmen selbst an Emissionen einspare und was kompensiert werde. Es müsse unterschieden werden können zwischen Unternehmen, die mit hohen Investitionen und technischen Weiterentwicklungen eine tatsächliche Reduzierung ihrer Emissionen erreichen, und solchen, die im eigenen Betrieb nichts ändern, aber Geld an Klimaprojekte zahlen.
Vor dem ersten Zivilsenat des BGH ging es auch um die Frage, ob mit der Werbung ein Fachpublikum oder Durchschnittsverbraucher angesprochen wird, und ob von den Fachkreisen ein höherer Wissensstand zum Thema Klimaneutralität erwartet werden kann. Die Anwältin aufseiten von Katjes argumentierte zudem, der Begriff „klimaneutral“ habe im Gegensatz zu anderen Werbeaussagen zur Nachhaltigkeit eines Produkts einen konkreten Inhalt. Der Begriff werde als ausgeglichene CO₂-Bilanz verstanden - die durch Vermeidung, aber eben auch durch Kompensation erreicht werden könne.
Einen ähnlichen Rechtsstreit gab es im vergangenen Jahr am Landgericht Karlsruhe um die Bezeichnung von Produkten der Drogeriemarktkette dm als „klimaneutral“ und „umweltneutral“ (Az. 13 O 46/22 KfH). Anders als bei Katjes entschied das Gericht hier auf eine Klage der Deutschen Umwelthilfe hin, dass dm seine Eigenmarken nicht mehr mit den beiden Begriffen bewerben darf. Verbraucher müssten einen Hinweis zu den Maßnahmen, die der Hersteller als Ausgleich etwa für CO₂-Emissionen während der Produktion ergreift, schon auf der Verpackung erkennen können.
Strengere Auflagen für Unternehmen, die mit ihrer Nachhaltigkeit werben, sind etwa auf EU-Ebene in der Mache. Das EU-Parlament gab im Januar grünes Licht dafür, dass vage Aussagen zur Umweltverträglichkeit von Produkten verboten werden sollen, wenn es dafür keinen Nachweis gibt. Damit soll „Greenwashing“ eingeschränkt werden - also der Praxis, dass Unternehmen oder Produkte umweltfreundlicher dargestellt werden, als sie tatsächlich sind. Zudem wird gerade an einer Green-Claims-Richtlinie gearbeitet.
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