Als Wang Chuanfu seine kleine Batterie-Firma in Shenzhen gründet, brummen auf Chinas Straßen noch dreckige CO2-Schleudern. Fast 30 Jahre später surren immer mehr Elektro-Autos durch die Städte. Viele davon tragen ein Logo mit drei Buchstaben: BYD.
Anfangs baute die Firma noch Handy-Akkus, seit 2003 sind die Südchinesen im Autogeschäft und mauserten sich zum mittlerweile größten E-Autobauer auf dem wichtigsten Fahrzeugmarkt der Welt. Mit mehr als 520.000 verkauften E-Autos im vierten Quartal 2023 stieß Wangs Konzern sogar den US-Primus Tesla weltweit vom Podest. Auf Jahressicht hatten die US-Amerikaner aber die Nase noch vorn.
Die Nachricht ließ die Branche staunen. Der US-E-Autopionier unter Elon Musk vertrieb im selben Zeitraum 484 507 an die Endkunden. Auf dem heimischen Markt USA, in dem BYD nicht vertreten ist und auf hohe Einfuhrzölle stoßen würde, bleibt Tesla weiter die Nummer eins bei Elektroautos.
Doch was steckt hinter BYDs Erfolg? Die Marke produziert viele Teile selbst und verkauft ihre Modelle günstig in unterschiedlichen Segmenten, wodurch sie viele Kunden erreicht. Tesla und andere E-Autobauer versuchten dagegen, über den teuren Premium-Bereich Kunden zu bekommen. Diese Marken wollten nicht im mittleren und unteren Segment einsteigen, weil dort der Preiswettbewerb sehr hoch ist, sagt Branchen-Experte Zhong Shi. BYD fing jedoch dort an und ist dem Analysten zufolge die einzige Marke, die diese Segmente voll abdecken kann. In China bietet BYD zum Beispiel Neuwagen ab umgerechnet etwa 10.000 Euro an.
Ein wichtiger Vorteil sind die Batterien - das teuerste Einzelbauteil in einem E-Auto. Weil die Shenzhener diese selbst herstellen, behalten sie die Kostenkontrolle, denn andere Firmen müssen dafür auf Zulieferer zurückgreifen, wie Zhong erklärt. „BYDs eigene Batterien sind besser als die aller Wettbewerber, die Kosten sind niedriger und die Qualität ist nicht schlecht“, sagt er.
Auch andere versuchen, Batterien selbst zu bauen, doch BYD hat dort einen Wissensvorsprung. Zu Kunden von BYD-Batterien zählen zum Beispiel Tesla und Toyota. Auch Pekings Subventionen für die Branche halfen BYD, Steuern zu sparen, günstig Land zu kaufen und billige Arbeitskräfte einzustellen.
Neue Konkurrenten sind Tech-Konzerne. Xiaomi und Huawei bauten über Kooperationen mit anderen Firmen eigene E-Automodelle beziehungsweise im Fall von Huawei eine Marke auf. Laut Branchen-Experte Ferdinand Dudenhöffer könnten heutige Autokonzerne damit zu reinen Autobauern werden, die Fahrzeuge nur noch montieren, während die für das Auto wichtige Software von den Tech-Konzernen kommt. „Es sieht so aus, als würden wir Zeuge der größten Transformation der Branche“, erklärte Dudenhöffer.
Dass BYD den chinesischen Markt mit Billigpreisen aufmischt, bekommt auch Europas größter Autobauer Volkswagen zu spüren. Jahrzehntelang hatten die Wolfsburger in China die Nase vorn. Dieses Jahr überflügelte BYD mit seinem schnellen Wachstum die Deutschen, auch weil deren Elektroautos wie der ID.3 in China zunächst nicht gut ankamen. Die Folge: VW musste beim ID.3 zwischenzeitlich kräftig die Preise senken, um den Verkauf anzukurbeln.
Eigentlich hatte Konzernchef Oliver Blume auf großangelegte Rabatte zugunsten der Rendite verzichten wollen. Die wählerischen chinesischen Käufer griffen aber vor den Preissenkungen lieber zu heimischen Marken, auch weil die ihnen in Sachen Internetanbindung im Auto mehr boten. Derzeit gibt es den ID.3 in China für knapp 163.000 Renminbi, umgerechnet rund 20.800 Euro. In Deutschland kostet der Wagen in der Grundausstattung an die 40.000 Euro.
China allein reicht BYD, was übrigens für Build Your Dreams (Erbaue deine Träume) steht, allerdings nicht. Die Chinesen versuchen schon länger, im Ausland einen Fuß in die Tür zu bekommen - auch in Deutschland. Leicht fällt ihnen das nicht. Im zweitgrößten Automarkt Nordamerika versagen hohe Zölle von 25 Prozent und die Regelungen des Inflation Reduction Acts der US-Regierung den Chinesen, den US-Marken Konkurrenz zu machen.
Doch sie machen sich auf den Weg: Vergangene Woche stach die „BYD Explorer No. 1“ in See. Das von BYD gecharterte Frachtschiff sollte in Shenzhen Halt machen, um 7000 Autos zu laden und nach Europa zu bringen.
In Deutschland fahren bislang kaum BYD-Autos. Laut Kraftfahrtbundesamt wurden 2023 von Januar bis November 3438 Fahrzeuge von BYD neu zugelassen - bei fast 470.000 reinen Elektroautos insgesamt in diesem Zeitraum. „Ich glaube, Deutschland ist noch kein Hauptmarkt für BYD“, sagt Zeng Zhiling von der Shanghaier Beratungsfirma LMC Automotive Market Consulting. Der Fokus liege eher auf Südostasien und Südamerika.
In der EU droht zudem die Anti-Subventionsuntersuchung Brüssels, chinesischen E-Autobauern das Geschäft zu verhageln. Das Zauberwort heißt: Lokalisieren. BYD müsse wie Volkswagen in China seine Produktion nach Europa verlagern, meint Experte Zhong. Derzeit bauen die Chinesen in Ungarn eine Fabrik, was das Tor zum EU-Markt öffnen könnte.
Mit BYD könnte auf dem deutschen Markt also vielleicht bald zu rechnen sein. Doch die Chinesen haben laut Zhong auch noch Hausaufgaben zu machen: BYDs Produkte seien gut, aber die Firma habe nicht das nötige Wissen, um Autos für den internationalen Markt herzustellen. Ihr Umgang mit der Marke und ihre Fähigkeit, mit einer Kultur im Ausland eine Verbindung aufzubauen, seien schon immer mangelhaft gewesen, sagt Zhong.
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