Angesichts des durch Sanktionen und konträre politische Haltungen belasteten Verhältnisses zwischen China und den USA will Peking mit Washington „Missverständnisse“ klären. Die Beziehungen der beiden Staaten müssten wieder auf einen gesunden, stabilen und nachhaltigen Pfad gebracht werden, sagte Chinas Außenminister Wang Yi.
Was richtig und was falsch sei, richte sich nicht danach, wer „die stärksten Arme und wer die lauteste Stimme“ habe, sondern danach, wer sich an das Völkerrecht und die Normen internationaler Beziehungen halte, sagte der Chef-Diplomat. US-Außenminister Antony Blinken sagte, er stimme Wang Yi zu.
Ein chinesisches Kampfflugzeug näherte sich während der Gespräche indes über dem Südchinesischen Meer nach US-Militärangaben in einem gefährlichen Manöver einem B-52-Bomber der USA genähert. Der Pilot der J-11-Maschine sei in „unsicherer und unprofessioneller Weise“ unter und vor dem US-Flugzeug im Abstand von nur zehn Fuß (etwa drei Meter) geflogen, teilte US-Kommando im Indopazifik mit.
Auf einem dazu veröffentlichten Video war ein sich nähernder Kampfjet zu sehen. Der Vorfall ereignete sich laut US-Angaben in der Nacht und bei geringer Sicht. Demnach verstößt das Manöver des Kampfjets gegen internationale Regeln für die Flugsicherheit.
Die größte und zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt liegen schon seit langem in zahlreichen wichtigen Fragen über Kreuz. Die USA und China werfen sich im Indopazifik immer wieder gegenseitig gefährliches Verhalten ihrer Streitkräfte zu Wasser und in der Luft vor. Den US-Angaben nach kam es seit Herbst 2021 zu mehr als 180 Zwischenfällen.
Jüngst veröffentlichten beide Seiten jeweils Bilder von den Ereignissen. Gestern etwa verbreitete Chinas Verteidigungsministerium ein Video, das den Zerstörer „USS Ralph Johnson“ der US-Navy zeigen sollte, wie er die Route des chinesischen Zerstörers „Guilin“ mit einer scharfen Kurve schnitt. China warf den USA vor, mit dem Manöver vom 19. August provozieren zu wollen.
Das Südchinesische Meer ist regelmäßig Schauplatz militärischer Übungen und Drohgebärden. Im Norden fühlt sich Peking durch die Durchfahrt der Meerenge zwischen China und Taiwan von Schiffen der US-Marine herausgefordert.
Die Volksrepublik sieht den demokratischen Inselstaat als sein Territorium an. Im Süden beansprucht China verschiedene Riffe und Inseln für sich und liegt darüber mit den Philippinen und anderen Nachbarstaaten im Streit. Auch dort kommt es nach Angaben der verschiedenen Seiten wiederholt zu Zwischenfällen. Taiwan und die Philippinen werden von den USA gestützt.
Auch der Überflug eines mutmaßlichen chinesischen Spionage-Ballons über US-Gebiet Anfang des Jahres führte in eine diplomatische Krise. Die USA halten derweil Sanktionen aufrecht, die China den Zugang zu strategisch wichtiger Chip-Technologie verwehren sollen. Obendrein steht die von der kommunistischen Partei regierte Volksrepublik für ihre neutrale Haltung im Ukraine-Krieg und im Nahost-Konflikt zwischen Israel und der Hamas in der Kritik.
Zuletzt schienen die Länder ihre Beziehungen mit häufigeren Visiten von Regierungsvertretern verbessern zu wollen. Vermutet wird, dass Wang Yis Besuch auch der Vorbereitung einer Reise von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping zum Treffen der Asien-Pazifik-Staaten Mitte November im kalifornischen San Francisco sein könnte. Dort wäre ein Treffen zwischen Xi und US-Präsident Joe Biden möglich. Die Präsidenten der beiden Supermächte hätten sich schon im September auf dem G20-Gipfel im indischen Neu Delhi treffen können, doch Xi sagte vorher ab.
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