Finnland bleibt das Land mit der glücklichsten Bevölkerung der Erde. Der EU-Staat im hohen Norden Europas führt auch im sechsten Jahr in Folge den Weltglücksbericht an, der am Montag anlässlich des Internationalen Tags des Glücks veröffentlicht wurde.
Trotz Sicherheitssorgen wegen des Angriffskriegs ihres Nachbarlandes Russland in der Ukraine und ihres noch nicht abgeschlossenen Nato-Beitritts halten die Finninnen und Finnen alle weiteren Länder der Erde klar auf Distanz: Dänemark folgt auf Platz zwei, dahinter Island, Israel, die Niederlande und Schweden. Deutschland büßt zwei Plätze ein, hält sich auf Rang 16 aber konstant in den Top 20.
Die am Bericht beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erstellen die Länderrangliste auf Basis von Umfragen des Instituts Gallup zur Lebenszufriedenheit in den drei zurückliegenden Jahren. Daraus entsteht eine länderspezifische durchschnittliche Lebensbewertung, die laut den Experten trotz der Krisenzeit mit Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, hoher Inflation und Klimakrise erstaunlich konstant geblieben ist. „Das durchschnittliche Glück und unser Länder-Ranking sind während der drei Covid-19-Jahre bemerkenswert stabil geblieben“, resümierte der Wissenschaftler John Helliwell von der kanadischen Universität von British Columbia.
Nur an den Rändern des Rankings gibt es laut Helliwell und seinen Kollegen deutliche Abweichungen vom Rest der untersuchten Staaten: bei Finnland mit einem Wert von rund 7,8 von 10 an der Spitze sowie beim kriegsgebeutelten Afghanistan (1,9) und dem Libanon (2,4) am Ende des Rankings, das insgesamt 137 Staaten auflistet. Deutschland (6,9) liegt als 16. diesmal minimal hinter den USA und knapp vor Belgien und Tschechien. Die Schweiz (7,2) auf Platz 8 und Österreich (7,1) auf Rang 11 schaffen es noch ein Stückchen weiter nach vorne.
Was genau die Finnen zufriedener als alle andere Völker der Erde macht, darauf gingen die Glücksforscher in dem Bericht nicht näher ein. Sie haben jedoch eine Reihe von Schlüsselfaktoren ausgemacht, die Menschen generell glücklicher machen, etwa soziale Unterstützung, Einkommen, Freiheit und die Abwesenheit von Korruption.
Die rund 5,5 Millionen Einwohner Finnlands bilden ein zurückhaltendes und bescheidendes, aber auch ein stolzes und widerstandsfähiges Volk. Dass sie immer wieder zu den Glücklichsten der Erde gekürt werden, lässt an diesem nebeligen Montag viele auf den Straßen von Helsinki etwas ratlos zurück. „Ich weiß es auch nicht. Es könnte am schönen Wetter liegen“, scherzt eine Frau mit Blick auf den weißgrauen Himmel und das Thermometer, das in diesem Moment zwei Grad Celsius anzeigt. „Aber ernsthaft: Warum immer wir?“, fragt sie sich.
Peter Stadius von der Universität Helsinki hat mögliche Antworten darauf parat. Der Glücksbericht zeige, dass die Finnen Vertrauen in die gesellschaftlichen und staatlichen Institutionen hätten, aber auch, dass sie schon mit Wenigem zufrieden seien, sagt der Historiker und Experte für Nordische Studien der Deutschen Presse-Agentur. Die Menschen im Norden seien mit dem alltäglichen Leben zufrieden und vertrauten darauf, dass es bei ihnen wenig Korruption gebe und dass Kinder schon in frühem Alter alleine zur Schule gehen könnten.
Hinzu komme noch ein generell nordisches Phänomen, das man auch in manchen anderen europäischen Staaten sehe, sagt Stadius: „Im globalen Vergleich mit Gesellschaften wie den USA, Japan und anderen haben die Menschen hier viel Freizeit und Urlaub. Du bist nicht in gleicher Weise mit der Arbeit verheiratet.“ Der Wohlfahrtsstaat behandle einen als Bereicherung, die gewährte Elternzeit sei großzügig.
Und dann wäre da schließlich noch die Sache mit dem Schwitzen: „Wenn ich im Ausland bin, vermisse ich zwei Dinge, die wirklich Finnisch sind: das finnische Roggenbrot und die Sauna“, sagt der Professor. Die Saunakultur sei tief verwurzelt in der finnischen Gesellschaft und zudem gut gegen Stress. „Für mich ist die Sauna ein Glücksort.“
Und Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine? Durch den Entschluss, in Folge des Krieges Nato-Mitglied werden zu wollen, sei Finnland als Nation näher zusammengerückt, sagt Stadius. „Ich würde das nicht als Zeichen von Glück bezeichnen, aber in gewisser Weise war das auch eine vereinende Erfahrung.“
Ein ähnliches Phänomen haben die Glücksforscher in ihrem Bericht auch in der Ukraine ausgemacht: „Der russische Einmarsch hat die Ukraine zu einer Nation geschmiedet“, erklärte der Oxford-Professor Jan-Emmanuel De Neve. Das Wohlbefinden der Ukrainerinnen und Ukrainer sei 2022 zwar stark gesunken, trotz des Ausmaßes des Leids und der Schäden aber weniger stark als nach der russischen Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim im Jahr 2014.
Nach Erkenntnissen der Experten liegt das unter anderem an einem nun viel stärkeren Zusammengehörigkeitsgefühl, Fürsorge füreinander und Vertrauen in die Führung um Präsident Wolodymyr Selenskyj. Die Ukraine kommt somit nun auf Rang 92, Russland auf Platz 70. „Kriege sind Krisen, die die Lebensbewertung erhöhen können, wenn sich die Menschen in einer gemeinsamen Sache vereint fühlen und Vertrauen in ihre Führung haben“, schrieben die Experten. „Diese Faktoren waren 2022 in der Ukraine sichtbarer als nach 2014.“
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