Notärztinnen vertrauen bei der Behandlung psychiatrischer Notfälle anscheinend eher auf eine emphatische Patientenansprache als ihre männlichen Kollegen. Diese greifen einer Studie zufolge eher zur Beruhigungsspritze. Die Untersuchung zeigt, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Behandlung psychiatrischer Notfälle gibt.
Allerdings unterscheiden sich Ärztinnen und Ärzte bei einschneidenden Entscheidungen nicht voneinander, etwa wenn es um Einweisungen gegen den Willen der Patientinnen und Patienten geht. Die Studie des Teams um Benedikt Schick vom Universitätsklinikum Ulm wurde im Fachjournal „BMC Emergency Medicine“ veröffentlicht.
Für die Studie wurden 2.882 Protokolle von Notarzteinsätzen mit psychiatrischer Indikation aus den Jahren 2015 bis 2021 analysiert. Die statistische Auswertung ergab, dass männliche Notärzte in psychiatrischen Notfallsituationen mehr als doppelt so häufig intravenöse Hypnotika verabreichten als ihre Kolleginnen.
Gerade bei Angst- oder Panikstörungen griffen Notärztinnen gegenüber ihren männlichen Kollegen deutlich seltener auf Spritzen zurück. Während Notärzte also eher auf die Wirkung einer Injektion setzten, legten Notärztinnen den Daten zufolge den Fokus mehr auf eine empathische Patientenansprache.
Außerdem gab es Hinweise darauf, dass die Frauen nach Abwägung der Vor- und Nachteile häufiger auf die Messung von etwa Blutdruck und Puls verzichteten, um mögliche Eskalationen zu verhindern. Denn medizinische Handlungen, selbst wenn sie nur dazu dienen, wichtige Körperfunktionen zu prüfen, werden von psychiatrischen Patientinnen und Patienten in manchen Fällen als übergriffig empfunden.
Keine geschlechterbedingten Unterschiede gab es bei der Häufigkeit der Durchsetzung einer notwendigen Krankenhausaufnahme gegen den Willen des Patienten. Doch männliche Notärzte griffen auch dabei häufiger zur Spritze und verabreichten ein Hypnotikum.
„Die Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus gegen den Patientenwillen in Kombination mit der erzwungenen Verabreichung von Psychopharmaka zur Beruhigung, Sedierung und Betäubung sind für den Betroffenen als Maximaleskalation der Intervention zur sehen und bedeuten massive Eingriffe in die Integrität der Personen“, sagt Erstautor Schick, Oberarzt an der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Solche Maximalinterventionen waren bei Notärztinnen seltener.
Etwa zwei Drittel der Notfallpatienten und -patientinnen wurden nach der notärztlichen Intervention stationär aufgenommen, und von diesen kam ein Fünftel direkt in die psychiatrische Akutbehandlung. Der häufigste Grund für die Einsätze waren Vergiftungen mit Alkohol oder anderen Drogen.
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