Sanierung des Schienennetzes, Reformen im Straßenverkehrsrecht, Digitalisierung der Verwaltung: Der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag hat am Mittwochabend Einigungen zu mehreren Gesetzesvorhaben erzielt. Das sagte Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD) im Anschluss an die Sitzung in Berlin.
Die Länderkammer hatte die Vorhaben zuvor aufgehalten. Die nun geplanten Änderungen müssen nun noch von Bundestag und Bundesrat gebilligt werden. Die Länderkammer tagt am Freitag. Schwesig betonte, der Vermittlungsausschuss blockiere nicht, sondern löse Probleme im Sinne der Bürgerinnen und Bürger.“
Mit einer Reform des Bundesschienenwegeausbaugesetzes soll sich der Bund künftig direkt auch an Kosten der Unterhaltung und Instandhaltung des Schienennetzes beteiligen können - und nicht nur an Bauprojekten.
Das Gesetz ist wichtig für die Generalsanierung wichtiger Bahnstrecken. Bis zum Jahr 2030 will die Bahn 40 hoch belastete Strecken grundlegend sanieren, um wieder pünktlicher und zuverlässiger zu werden. Los geht es im Juli dieses Jahres auf der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim, die dafür für ein knappes halbes Jahr gesperrt wird.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte: „Wir leiten damit einen Paradigmenwechsel in der Schieneninfrastruktur der Bundesrepublik Deutschland ein. Nichts wird so bleiben, wie es ist und das ist gut so.“ Damit könnten nun Maßnahmen zur Verbesserung der Schieneninfrastruktur umgesetzt werden, um die Pünktlichkeit von Zügen wieder sicherzustellen. FDP-Fraktionsvize Carina Konrad sprach von einem guten Signal an die Bahnkunden. SPD-Fraktionsvize Detlef Müller sagte, es sei dringend nötig zu investieren, aber auch instandzuhalten, zu reparieren und zu sanieren.
Zwischen Bund und Ländern war es umstritten, wer einen Schienenersatzverkehr mit Bussen bezahlt. Einem Änderungsvorschlag zufolge sollen die Länder die Kosten für den Schienenersatzverkehr in Höhe von 50 Prozent tragen, der Bund 40 Prozent und die Bahn 10 Prozent.
Außerdem soll sich der Bund bei der Digitalisierung der Schienenwege an mehr Infrastrukturkosten beteiligen können, dabei geht es auch um die Ausrüstung von Zügen mit digitaler Bordtechnik. Für den Bund soll es außerdem einfacher werden, sich finanziell daran zu beteiligen, Bahnhöfe auf Vordermann zu bringen. Das soll auch im Zuge der Generalsanierung geschehen.
Der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, sagte: „Über Jahrzehnte musste die Deutsche Bahn ihre Bahnhofsgebäude über Mieteinnahmen weitgehend selbst finanzieren. Das führte dazu, dass Bahnhofsgebäude verkauft wurden oder in schlechtem Zustand waren, wenn die Mieteinnahmen nicht reichten. Künftig übernimmt der Bund die finanzielle Verantwortung für die Gebäude; die Bahn für einzelne, kommerziell genutzte Innenräume.“ Nun sei der Weg frei für eine Investitionsoffensive.
Beim Straßenverkehrsgesetz geht es darum, dass Städten und Gemeinden mehr Spielraum etwa für die Einrichtung von Busspuren und Tempo-30-Zonen bekommen sollen. Künftig sollen generell neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs auch Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden.
Der Sicherheitsaspekt soll nun gestärkt werden. Im vom Bundestag beschlossenen Gesetz hieß es, neben der Verbesserung des Schutzes der Umwelt, des Schutzes der Gesundheit oder der Unterstützung der städtebaulichen Entwicklung müsse auch die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs berücksichtigt werden - im Änderungsvorschlag für den Vermittlungsausschuss heißt es, die Leichtigkeit des Verkehrs müsse berücksichtigt werden, die Sicherheit des Verkehrs dürfe nicht beeinträchtigt werden.
Wissing sagte: „Was wir bisher hatten, ist nicht akzeptabel.“ Er sprach etwa von Rechtsunklarheiten bei der Frage, ob man vor einer Kita eine Tempo 30-Zone anordnen könne. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge sagte: „Jetzt haben Kommunen endlich mehr Handlungsfreiheit, um Bussen, Radfahrenden und Fußgängern mehr Platz einzuräumen und so die Sicherheit vor Ort entscheidend zu verbessern.“
In Gerichtsverfahren soll künftig häufiger Videokonferenztechnik zum Einsatz kommen. Bereits heute können mündliche Verhandlungen per Videokonferenz durchgeführt werden an Zivilgerichten und Fachgerichten wie Verwaltungs-, Finanz-, Arbeits- und Sozialgerichten. Künftig soll das schon auf Antrag einer Partei geschehen können.
Bundesrat und Bundestag haben sich nun darauf geeinigt, dass der Einsatz der Technik voraussetzt, dass es um „geeignete Fälle“ geht und „ausreichende Kapazitäten“ vorhanden sind. Eine Ablehnung eines Antrags auf Bild- und Tonübertragung soll der Vorsitzende Richter nur „kurz“ begründen müssen.
Ob Verhandlungen auch „vollvirtuell“ stattfinden können, bleibt den Ländern überlassen, die entsprechende Vorschriften erlassen müssten, befristet zunächst bis 2033. In diesem Fall könnten alle Beteiligten virtuell teilnehmen. Normalerweise muss zumindest der Vorsitzende Richter oder die Richterin im Gerichtsgebäude sein.
Für Bürgerinnen und Bürger soll es künftig ein einheitliches elektronisches Konto für Verwaltungsdienstleistungen des Bundes geben. Die Kommunikation mit Behörden soll mit Hilfe der neuen Deutschland-ID rein online ablaufen können. Das sieht das neue Onlinezugangsgesetz (OZG 2.0) vor.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) begrüßte die Einigung. Sie versprach: „Digitale Anträge ersetzen die Papierform.“ In vielen Fällen werde der Gang zum Amt überflüssig, die Zettelwirtschaft finde in vielen Bereichen ein Ende. „Unterschriften per Hand und auf Papier sind nicht mehr nötig. Viele Nachweise müssen nur noch einmal vorgelegt werden.“ Für Unternehmen solle es künftig komplett digitale Verfahren geben, die viel Bürokratie ersparten.
Das OZG 2.0 bezieht sich im engeren Sinn nur auf Bundesverwaltungen wie die Bundesanstalt für Arbeit oder das Amt für Ausbildungsförderung (Bafög). Es soll aber auch auf die Bundesländer und Kommunen ausstrahlen. Das Gesetz sieht vor, dass Bund und Länder in einem gemeinsamen Gremium in den kommenden zwei Jahren Standards entwickeln, die für alle Beteiligten verbindlich sind. Damit soll auch verhindert werden, dass in den Verwaltungen mehrfach Programme geschrieben werden, um dasselbe Problem zu lösen.
Keine Einigung ist hingegen bei Plänen zur Dokumentation von Hauptverhandlungen in Sicht. Den Reformplänen zufolge soll der Ton künftig aufgezeichnet und dann verschriftlicht werden. Zusätzlich sollen Länder auch Bildaufzeichnungen machen können. Die Neuerungen sollten in einer Testphase an Oberlandesgerichten erprobt werden. Die Länder zweifeln allerdings am Bedarf, fürchten um den Opferschutz und warnen vor unmäßigem Aufwand.
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