2023 war schwierig, 2024 wird womöglich nicht oder allenfalls wenig besser. Einzelhändler in Deutschland müssen sich wieder auf ein Jahr mit vielen Herausforderungen und Unsicherheiten einstellen. Stefan Genth und Alexander von Preen vom Handelsverband Deutschland waren bei ihrem Auftritt um Optimismus bemüht, die Aussichten für das neue Jahr sind jedoch wenig positiv.
Für dieses Jahr erwartet der HDE bei den Einzelhandelsumsätzen im Vergleich mit 2023 lediglich ein Mini-Plus von preisbereinigt einem Prozent. Die Einzelhändler in Deutschland sind wenig zuversichtlich. Einer Verbandsumfrage zufolge verzeichneten zwei von drei Unternehmen im zweiten Halbjahr 2023 weniger Gewinn als im Vorjahreszeitraum. Jeder sechste Händler schätzt die aktuelle Geschäftslage als gut ein. Nur 21 Prozent gehen davon aus, dass die Umsätze 2024 über denen vom Vorjahr liegen. Die Erwartungen sind über fast alle Branchensegmente hinweg ähnlich niedrig.
Der negative Blick hat einen Grund: Viele alte Probleme bleiben dem Einzelhandel in diesem Jahr erhalten. Das zeigt ein Blick auf die Top-Themen, die den Alltag der Unternehmen der HDE-Umfrage zufolge am stärksten beeinflussen. Am meisten beschäftigt sie die Kaufzurückhaltung der Konsumenten, danach folgen Belastungen durch Bürokratie, Energiekostenanstieg, Preisentwicklung, Arbeitskräftemangel, der Attraktivitätsverlust der Innenstadt sowie die Auswirkungen der Kriege in der Ukraine und Nahost. Die Unsicherheit der Verbraucher wird die Stimmung wohl auch 2024 trüben - die Verbraucher bleiben sparsam, erwartet der Handelsverband.
Dass sich diese Gemengelage schnell verflüchtigt, ist nicht absehbar. Das zeigen auch die wirtschaftlichen Prognosen. Alle großen Wirtschaftsforschungsinstitute korrigierten ihre ohnehin schon nicht überaus optimistischen Konjunkturprognosen für 2024 zuletzt nach unten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet nur noch 0,5 Prozent Wachstum für Deutschland. Anderswo läuft es derweil deutlich besser. Für die Weltwirtschaft hat der IWF seine Prognose auf mehr als 3 Prozent angehoben.
Der Einzelhandel tut sich immer noch schwer, an die Zeit vor der Corona-Pandemie anzuknüpfen. Das Einkaufen in den Innenstädten ist längst wieder ohne Einschränkungen möglich, die Passantenfrequenzen legten aber nicht so stark zu wie erhofft. Das war auch in dem für die Branche so wichtigen Weihnachtsgeschäft zu spüren, das enttäuschend verlief. Die Umsätze im Dezember lagen real laut Statistischem Bundesamt sogar 1,7 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Auf das ganze Jahr gesehen hatten die Händler - bereinigt um Preissteigerungen - im vergangenen Jahr sogar 3,3 Prozent weniger in den Kassen als 2022.
Besonders heftig betroffen war wie bereits im Vorjahr der Lebensmittelhandel. Nominal waren die Umsätze 2023 nur aufgrund der gestiegenen Preise höher, um diese bereinigt gingen sie um 3,9 Prozent zurück. Im Jahresschnitt sind Nahrungsmittel 2023 mehr als 12 Prozent teurer als im Vorjahr. Im Internet- und Versandhandel ging der Umsatz im Jahr 2023 real ebenfalls um 3,9 Prozent zurück. Besser lief es immerhin für Händler von Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren. Sie verzeichneten preisbereinigt 2,6 Prozent mehr Umsatz als 2022.
Fast etwas sinnbildlich für die Situation des Einzelhandels ist die erneute Insolvenz der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof. „Warenhäuser sind Magneten für die Frequenzen in den Innenstädten“, sagte von Preen. Es gelte nun, ein Geschäftsmodell zu entwickeln, welches auch anderen Händlern im Umfeld helfen könne.
Auch andere Probleme schleppt der Einzelhandel 2024 weiter mit sich herum. Neben den 120.000 unbesetzten Stellen gilt das unter anderem auch für die schwierigen Tarifgespräche. Eine Einigung ist auch nach mehr als 60 Verhandlungsrunden nicht in Sicht. Das politische Umfeld wird für die Branche nicht ruhiger. Mit dem Angriff der Huthi-Milizen auf Handelsschiffe im Roten Meer kam zuletzt eine weitere Baustelle hinzu. Einem „Handelsblatt“-Bericht zufolge bereiten sich mehrere Unternehmen auf Lieferengpässe und -verzögerungen vor. Eine mögliche Folge könnten Lücken in Regalen sowie weitere Kostensteigerungen sein, sowohl für die Wirtschaft als auch für Verbraucher.
Zu den jüngsten Protesten gegen Rechtsextremismus und die AfD nahm die Führung des Handelsverbandes deutlich Stellung. „Es ist gut und es ist an der Zeit, dass alle anständigen Demokraten sich unterhaken und deutlich machen, auf welcher Seite die Mehrheit steht. Die Zeit des Schweigens muss vorüber sein, jetzt ist Farbe bekennen angesagt“, sagte von Preen.
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