Die Hoffnungen liegen auf Nationaltrainer Julian Nagelsmann und seiner Mannschaft. Hätte die Baumarktbranche für 2024 zwei Wünsche frei, dann wären es wohl diese: ein Finaleinzug der Nationalelf bei der Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land sowie gutes Sommer- und Grillwetter.
Beides zusammen wären günstige Voraussetzungen. Dafür, dass viele Menschen in Deutschland im Sommer Zeit im eigenen Garten verbringen und die Stimmungskurve steigt. Und ganz nebenbei auch für ein erfolgreiches Jahr für die Bau- und Gartenfachmärkte.
Der Handel kann das gut gebrauchen. Hinter der Branche liegt ein schwieriges, ja „ein dramatisches Jahr“. Das räumten Vertreter des Handelsverbandes Heimwerken, Bauen und Garten (BHB) in Köln offen ein. Trotz gestiegener Preise gingen die Umsätze 2023 um 3,1 Prozent zurück, inflationsbereinigt sogar um etwa 9 Prozent - und damit deutlich stärker als im Einzelhandel insgesamt.
Die Coronazeit hatten viele Verbraucherinnen und Verbraucher auch dazu genutzt, ihre eigenen vier Wände zu verschönern, Renovierungen umzusetzen und auch vorzuziehen. Zuletzt verzichteten sie wegen der hohen Inflation jedoch häufig auf nicht notwendige Anschaffungen und größere Projekte für Haus und Heim. Stark betroffen waren neben der Möbelindustrie auch die Baumärkte.
Neben Sparsamkeit und schlechter Stimmung bei vielen Kunden kamen andere Faktoren erschwerend hinzu: Aufgrund des langen Winters und viel Regen lief das für die Märkte so wichtige Frühjahrsgeschäft schlecht. Auch Lieferkettenprobleme und der Einbruch beim Neubau wirkten sich negativ aus - je weniger neue Wohnungen, desto weniger Aufträge für Erstausstattung. Der Streit um das Heizungsgesetz hat der Baumarktbranche nach eigenen Angaben ebenfalls geschadet. Demnach brachen die Umsätze im Bereich Sanitärinstallation und Heizung nach Verabschiedung des Gesetzes ein.
Mit Blick auf 2024 ist der Handel allenfalls vorsichtig optimistisch. Von der sinkenden Inflationsrate und den vielfach hohen Lohnabschlüssen erhofft man sich einen Schwung beim Konsum. Zuversichtlich stimmt auch etwas anderes. „Menschen wertschätzen ihr Zuhause in Zeiten von Krisen und Unsicherheit besonders. Wir bieten alles dafür, dieses zu erhalten, verschönen und auszubauen“, sagt BHB-Hauptgeschäftsführer Peter Wüst.
Der Verband setzt auch darauf, dass die hohe Auslastung und gestiegene Preise von professionellen Handwerksbetrieben Menschen in die Märkte treibt, um Arbeiten selbst durchzuführen. „Selber bauen und selber machen ist günstiger“ - so die Devise der Branche. Die Preise bleiben dennoch eine der größten Herausforderungen: Der Fachhandel wird künftig stärker auf Einstiegssortimente setzen müssen, weil weiterhin damit zu rechnen ist, dass Kunden knapp kalkulieren und auf günstige Produkte setzen. Ausgerechnet hier müssen die Märkte sich in einem schwierigen Konkurrenzkampf behaupten - gegen die Non-Food-Sortimente der Discounter, gegen Amazon und asiatische Handelsplattformen wie Temu.
„Baumärkte werden weiter den Spagat schaffen müssen, sich als kompetenter Problemlöser bei größeren Vorhaben zu positionieren, aber auch im Preiseinstiegssegment ein attraktives Sortiment anzubieten“, sagt Kai Hudetz vom Kölner Handelsforschungsinstituts IFH. Er geht davon aus, dass sich die Lage mittelfristig etwas entspannt. „Wir werden im Bereich Heim und Garten in den nächsten Jahren auch wieder Nachholeffekte sehen, denn viele Investitionen lassen sich nur begrenzt verschieben. Das wird der Branche insgesamt sicher helfen.“
Schneller helfen kann unter Umständen der Fußball. Die Europameisterschaft in Deutschland, die in dreieinhalb Monaten beginnt, ist ein potenzieller Stimmungstreiber für das Geschäft der Baumärkte - erst recht, wenn die Nationalmannschaft stark abschneidet. Da sind sich Vertreter des Handels einig. Nur wird sich das, genauso wie das Wetter, eben nicht beeinflussen lassen können. Der Fußball-Zauber könnte nämlich auch schnell beendet sein. Bei zwei der drei letzten großen Turniere flog Deutschland schon in der Vorrunde raus.
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