Die Feinstaub-Belastung in der Luft soll nach dem Willen der EU-Kommission deutlich sinken. Dabei geht die Brüsseler Behörde aber nicht so weit, wie es die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt. Der Jahresgrenzwert für Feinstaub, der zu einem großen Teil im Autoverkehr und durch Heizungen entsteht, solle bis 2030 um mehr als die Hälfte gesenkt werden, schlug die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel vor.
Die Belastung durch Feinstaub mit einer Partikelgröße von bis zu 2,5 Mikrometer soll demnach von 25 auf 10 Mikrogramm pro Kubikmeter reduziert werden. Der Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) soll ab 2030 nur noch bei 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen statt wie bisher bei 40. Mit den Vorschlägen bekommt die Debatte über Auto-Fahrverbote neuen Schwung.
Mit dem Entwurf nähert sich die EU-Kommission den Empfehlungen der WHO an, setzt sie aber nicht vollständig um. Die WHO empfiehlt seit vergangenem Jahr nur noch fünf Mikrogramm Feinstaub, also ein Fünftel des derzeit erlaubten Wertes. Für Stickstoffdioxid sieht die WHO einen Höchstwert von 10 Mikrogramm vor. Der Entwurf sieht außerdem vor, dass Menschen Schadenersatz fordern können, wenn die Grenzwerte nicht eingehalten werden und ihre Gesundheit leidet.
„Jedes Jahr sterben Hunderttausende Europäer vorzeitig, und viele weitere leiden an Herz- und Lungenkrankheiten oder durch Umweltverschmutzung verursachte Krebserkrankungen“, sagte EU-Kommissionsvize Frans Timmermans. „Je länger wir mit der Verringerung dieser Verschmutzung warten, desto höher sind die Kosten für die Gesellschaft.“
Bei der christdemokratischen EVP-Fraktion kommt der Vorstoß nicht gut an: „Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, jetzt einen solchen Vorschlag zu machen, der zu einer erneuten Diskussion über Fahrverbote führen wird“, so der umweltpolitische Sprecher, Peter Liese (CSU). Die Luft sei in den vergangenen 25 Jahren in Europa sehr viel besser geworden.
Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, kritisierte: „Statt eines Überbietungswettbewerbs bei Grenzwerten und Vorgaben wäre es zielführender, gemeinsam die bereits vorhandenen zentralen Lösungsbausteine effizient zu nutzen und zu fördern.“ Dem Grünen-Europaabgeordneten Michael Bloss geht der Entwurf der Kommission dagegen nicht weit genug. Er fordert, WHO-Standards zu übernehmen „statt wachsweicher Ziele, die wissenschaftliche Empfehlungen ignorieren“.
Die Bundesregierung begrüße den Vorstoß der Kommission, teilte das Bundesumweltministerium (BMUV) mit. „Der Vorschlag der Europäischen Kommission muss nun geprüft und bewertet werden, eine formale Positionierung seitens der Bundesregierung zu Einzelfragen wird im Anschluss erfolgen“, heißt es in der Stellungnahme. „Aus Sicht des BMUV besteht angesichts neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse zu gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung insbesondere bei den Feinstaubgrenzwerten Handlungsbedarf, da bei diesem Schadstoff die gesundheitlichen Auswirkungen am stärksten sind.“
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßte den Vorstoß der Kommission, sagte aber auch: „Nur durch eine konsequente Verkehrswende, Aussperrung aller Dieselstinker und Halbierung der Zahl der Pkw in unseren Städten sowie weiteren Maßnahmen in allen relevanten Sektoren wie Verkehr, Landwirtschaft und Holzfeuerung wird es möglich sein, die vorgeschlagenen Werte zu erreichen.“
Die Sprecherin für Umwelt- und Verbraucherschutz der FDP-Bundestagsfraktion, Judith Skudelny, warnte: „Durch neue Grenzwerte dürfen wir nicht Tür und Tor für neue Klagewellen gegen Städte und Kommunen eröffnen.“
Ob eine Verschärfung der Grenzwerte zu Fahrverboten in Städten führen wird, ist unklar. Der Vorschlag der EU-Kommission enthält keine konkreten Maßnahmen, sondern legt lediglich Luftqualitätsstandards fest, die überall umgesetzt werden müssten. Zudem müssen das Europaparlament und die EU-Staaten nun noch darüber verhandeln.
Wie die Grenzwerte dann erreicht werden, ist Sache der EU-Länder. Ein Sprecher des Umweltministeriums verwies auf die Zuständigkeit der Kommunen. Die Bundesregierung selbst könne nicht über Fahrverbote entscheiden.
Nicht nur die Luft, auch das Wasser soll nach dem Willen der Kommission besser geschützt werden. Sie möchte die Liste der zu kontrollierenden Schadstoffe in Gewässern und Grundwasser um 24 Produkte erweitern, darunter Antibiotika und Pestizide wie Glyphosat.
Außerdem sollen die Verursacher von Schadstoffen mehr in die Pflicht genommen werden. Das bedeutet, dass beispielsweise Produzenten von Kosmetika oder Medizin dafür zahlen müssen, wenn bei der Herstellung ihrer Produkte Schadstoffe Wasser verschmutzen. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) nannte das einen lang ersehnten Paradigmenwechsel.
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