Alleen sind oft beeindruckende Naturdenkmäler und Landschaftsmarken. Sie prägen vor allem im Norden und Osten von Deutschland zahlreiche Straßen. Aber die teils historischen Baumreihen sind in Gefahr, warnen Experten mit Blick auf den „Tag der Allee“ am 20. Oktober. Zu den Hauptproblemen zählen Überalterung, höhere Hürden für Nachpflanzungen und Klimastress.
„Die Alleen in Deutschland haben eine schlechte Altersstruktur“, sagt Jürgen Peters, Professor an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde. Die meisten Alleen seien vor 100 Jahren oder teils davor gepflanzt worden. Für die Verkehrssicherheit müssen inzwischen manche Baumkronen stark geschnitten werden - die Wunden bieten ein Einfallstor für Pilze oder andere Schädlinge.
„Wir müssten ganz dringend sehr viel mehr nachpflanzen, wenn wir das Ziel haben, den Alleenbestand zu erhalten“, sagt Peters. Allerdings gibt es inzwischen für Bundes- und Landesstraßen die Vorgabe, dass neu gepflanzte Bäume einen Abstand von 4,50 Meter zur Fahrbahn haben. Dazu müssten sie vielerorts auf privates Ackerland gesetzt werden. „Und die Landwirte sind oft nicht bereit, ihre Flächen herzugeben.“ In den 1990er Jahren hätten Straßenbauverwaltungen teils noch Land angekauft - dies sei wegen gestiegener Preise nicht mehr praktikabel, berichtet der Experte.
Peters fordert von den Bundesländern konkrete Konzepte, wie die Alleen erhalten und verbessert werden können. Als positive Beispiele nennt er Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern - die Länder mit dem dichtesten Alleenbestand. Auch Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen haben noch relativ viele Alleen. „Je weiter man nach Süden kommt, desto dünner wird es.“
„Man muss nicht immer am alten Standort festhalten, wenn der aus bestimmten Gründen nicht mehr gut funktioniert, etwa weil der Verkehrsdruck zu stark ist“, argumentiert der Experte. Großes Potenzial sieht er in kommunalen Straßen, die einer Studie zufolge zu 90 Prozent ohne Baum sind.
Auch Cornelia Behm von der Alleenschutzgemeinschaft spricht von einem zunehmen Verlust von Alleenlandschaften. „Viele Bäume sind mittlerweile in die Jahre gekommen, die Standsicherheit ist einfach nicht mehr gegeben“, sagt sie. Mit dem Nachpflanzen täten sich die Länder teils schwer, hat Behm beobachtet und verweist auch auf die nun größeren Abstände vom Fahrbahnrand. Unter dieser Vorgabe leide der typische „Tunnelcharakter“ beim Durchfahren der doppelten Baumreihe.
Behm wünscht sich nach eigenen Worten mehr bundeseinheitlichen Schutz für Alleen. Es gebe kein einheitliches Kataster zur Erfassung und kein einheitliches Monitoring-System zum Zustand. „Da macht also jedes Land, was es will oder was es kann.“
Alleen sind eine wichtige Heimat für viele Kleintier- und Insektenarten, Fledermäuse orientierten sich den Baumreihen, wie Behm berichtet. Über Alleen werden Biotope miteinander verbunden, sie tragen zur Luftreinhaltung bei. Imker schätzten speziell Lindenalleen als Futterplätze für ihre Bienen. Daneben seien Alleen „ein wunderbares Landschaftserlebnis“, betont Behm. „Sie sehen zu jeder Jahreszeit anders aus, anders schön.“
Muss denn eine Allee immer zwingend nur eine Baumart haben? In dieser Frage plädieren Behm und Peters für Offenheit. Eine Lindenallee könne ja beispielsweise aus Sommerlinden, Winterlinden und Silberlinden bestehen mit dem Vorteil, dass sie wegen der unterschiedlichen Blütezeit Insekten über einen langen Zeitraum Futter böten, so Behm .
„Einerseits hat man ein einheitliches Bild tatsächlich nur, wenn man eine Baumart hat“, sagt Peters. Es gebe aber auch die Möglichkeit, alle 300 oder 400 Meter die Art zu wechseln, etwa bei einer Kreuzung. Dadurch könnte der Ausbreitung von Schädlingen entgegengewirkt werden. „Und in dieser Form über kombinierte Alleen nachzudenken, das fände ich schon sinnvoll, gerade jetzt auch unter Klimagesichtspunkten“, sagt der Wissenschaftler.
Zu den häufigsten Alleenbäumen in Deutschland zählt die Linde, gefolgt von Spitzahorn und Bergahorn sowie der Eiche. In Nordhessen säumen beispielsweise 413 bis zu 250 Jahre alte Eichen eine Landesstraße durch den Reinhardswald. „Wir agieren im Spannungsfeld zwischen Naturschutz und Sicherheit auf der Fahrbahn“, erläutert Marco Lingemann vom Landesbetrieb Hessen Mobil. „Wir sind stolz auf das vererbte Kulturgut, aber es zu schützen ist auch eine Herausforderung.“ In einem festgelegten Turnus werden die Bäume per Sicht- und Klopfkontrolle überprüft.
Während Alleen heute von manchen Auto- und Motorradfahrern als gefährliche Hindernisse bei einem Unfall angesehen werden, galten sie in früheren Zeiten eher als das Gegenteil: Die Baumreihen wurden Ende des 18. Jahrhunderts unter anderem gepflanzt, damit die Fuhrwerke nicht in den Graben rutschen.
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