Die Euro-Währungshüter schließen nach der neunten Zinserhöhung in Folge erstmals eine Pause nicht aus. „Wir könnten die Zinsen anheben, wir könnten eine Pause machen“, sagte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, in Frankfurt mit Blick auf die nächste Sitzung des EZB-Rates im September. Sollte sich der Rat dann für eine Zinspause entscheiden, müsse diese nicht unbedingt eine längere Zeit dauern.
„Ich kann versichern, dass wir nicht die Zinsen senken“, betonte Lagarde. Die Notenbank werde anhand von Daten von Sitzung zu Sitzung entscheiden. „Wir wollen der Inflation das Rückgrat brechen. Die Daten werden zeigen, wie viel Boden wir noch gutmachen müssen.“
Zuvor hatte der EZB-Rat eine weitere Zinsanhebung um 0,25 Prozentpunkte beschlossen. Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB besorgen können, steigt damit auf 4,25 Prozent. So hoch war der Leitzins zuletzt zu Beginn der globalen Finanzkrise Anfang Oktober 2008. Forderungen nach einer Zinspause werden lauter, auch weil sich die Aussichten für die Konjunktur im Euroraum zuletzt eintrübten.
„Mit dieser Zinserhöhung ist der Job der EZB erstmal getan“, sagte Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. „Ab jetzt schließt sich das Fenster für weitere Leitzinserhöhungen, denn die Inflation wird im Herbst deutlich sinken.“ Man müsse nun erstmal abwarten, ob die bisherige Dosis an Zinserhöhungen ausreiche, um die Inflation auch langfristig auszutreiben.
Parken Banken Geld bei der EZB, erhalten sie dafür künftig 3,75 Prozent Zinsen. Nach Jahren mit Null- und Negativzinsen haben die Währungshüter angesichts der hohen Teuerung die Zinsen seit Juli 2022 in einer beispiellosen Serie angehoben. Die US-Notenbank Federal Reserve legte im Kampf gegen die Inflation am Mittwoch nach einer Pause nach und hob den Leitzins auf den höchsten Stand seit 22 Jahren an. Er liegt nun in der Spanne von 5,25 bis 5,5 Prozent.
Höhere Zinsen verteuern Kredite. Das kann die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken. Zwar schwächte sich die Inflation im Juni ab. Im Währungsraum der 20 Staaten lagen die Verbraucherpreise nach Angaben des Statistikamtes Eurostat um 5,5 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Im Mai war noch eine jährliche Teuerungsrate von 6,1 Prozent verzeichnet worden. Die Rate liegt aber weiter deutlich über dem mittelfristigen Inflationsziel der EZB von zwei Prozent, bei dem sie Preisstabilität gewahrt sieht.
„Wir machen Fortschritte, die Inflation sinkt“, stellte Lagarde fest. „Aber sind 5,5 Prozent im Juni genug? Sind wir nun zufrieden? Nein!“
Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV), Helmut Schleweis, mahnte, die EZB sollte nun erst einmal die weitere Wirkung ihrer Zinsschritte beobachten. Eine Pause erscheine möglich und angeraten, müsse aber nicht das Ende der Erhöhungen sein.
Nach Einschätzung von Friedrich Heinemann, Ökonom am Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW, kann bei der Inflation von Entwarnung noch keine Rede sein. „Allerdings ist es vertretbar, wenn die EZB jetzt eine Pause einlegt, die Zinserhöhungen erst einmal wirken lässt und gegebenenfalls im Oktober noch einmal nachlegt.“
Höhere Teuerungsraten lassen die Kaufkraft der Menschen schwinden: Verbraucherinnen und Verbraucher können sich für ihr Geld weniger leisten. Sie treten beim Konsum auf die Bremse. Das belastet das Wirtschaftswachstum, für das der private Konsum eine wichtige Stütze ist. Auf der anderen Seite verteuern steigende Zinsen Kredite für Unternehmen, weshalb die eine oder andere Investition ausfallen könnte. Auch das bremst die Konjunktur.
Sparer profitieren nach jahrelanger Flaute von steigenden Zinsen für Tagesgeld und Co. Der Durchschnittszins bundesweit verfügbarer Tagesgeldangebote lag nach Berechnungen des Vergleichsportals Verivox zuletzt bei 1,31 Prozent (Stand 20. Juli 2023). Anfang August 2022 waren es nur 0,05 Prozent. Jedoch gibt es bei 141 von 738 ausgewerteten Geldhäusern den Angaben zufolge auf dem Tagesgeldkonto nach wie vor keine Zinsen.
Für Kreditnehmer wird es durch steigende Zinsen teurer, vor allem Bauherren bekommen das deutlich zu spüren. Seit Frühjahr 2022 sind die Zinsen für Baukredite in Deutschland, die sich an der Verzinsung von Bundesanleihen orientieren, der Bundesbank zufolge im historischen Vergleich unerwartet stark gestiegen. Die Analyse zeige, „dass die Banken in Deutschland den Zinssatz für Wohnungsbaukredite an private Haushalte seit Mai 2022 stärker angehoben haben als zu erwarten gewesen wäre“, hieß es im Bundesbank-Monatsbericht Juni.
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