Wer tierlieb ist, sich einen Hund wünscht und ein großes Herz hat, der tendiert eher zu einem Vierbeiner aus dem Tierschutz als zu einem Rassehund vom Züchter. So kann man mit seiner Entscheidung auch noch etwas Gutes tun.
Aber Skeptiker warnen: Solch ein Hund mache oft Probleme. Man wisse nie, was er erlebt habe - und am Ende schnappe er einfach zu. Worauf also achten, wenn es für die Familie ein Hund aus dem Tierschutz sein soll? Ein Überblick.
Das Wichtigste vorab: Als Erstes den Verstand einsetzen - ganz gleich, wie groß das Bedürfnis ist, zu helfen. „Mitleid ist kein guter Grund, um sich ein Haustier anzuschaffen“, sagt Christa Wilczek, stellvertretende Vorsitzende der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT). Auch Verhaltensbiologin und Autorin Marie Nitzschner („Die Persönlichkeit des Hundes“) appelliert: „Egal, wie süß das Wollknäuel ist oder wie traurig er schaut: Man sollte definitiv erst mal den Kopf übers Herz stellen.“
Und das beginnt nicht erst beim Hund, sondern schon bei der Auswahl des richtigen Anbieters. Eine allgemeingültige Empfehlung, ob man lieber einen Hund aus dem Auslandstierschutz oder aus dem örtlichen Tierheim wählt, gibt es nicht. Wichtig ist, dass man mit einem seriösen Verein zusammenarbeitet. Vor allem, wenn die Hunde nicht aus Deutschland stammen. „Die Frage ist, ob der Verein die erforderliche Erlaubnis nach dem Tierschutzgesetz hat, die vom zuständigen Veterinäramt erteilt wird“, so Wilczek.
Der große Knackpunkt sei zudem: Wie transparent wird vor Ort gearbeitet, und wie kommen die Tiere in Deutschland an? Hunde, die viele Stunden oder gar Tage in ungeeigneten Transportern unterwegs sind, leiden nicht nur akut. Sie können durch traumatische Erlebnisse ihr Leben lang Probleme haben und die Besitzer vor besondere Herausforderungen stellen.
Und wie findet man den richtigen Anbieter im Ausland? Man sollte sich die Internet-Seite intensiv anschauen, gezielte Nachfragen nach der Auswahl der Hunde, der personellen Ausstattung und tierärztlichen Kontrollen stellen und um Behandlungsprotokolle bitten. Sinnvoll sei es zudem, einfach mal seinen Urlaub mit einem Besuch der Tierschutzorganisation im Ausland zu verbinden.
„Ich würde auch immer darauf achten, dass der Verein auch Hilfe vor Ort leistet - etwa durch Kastrationsaktionen“, sagt Marie Nitzschner. Die Hundetrainerin rät, einen Verein zu wählen, der im Idealfall mit Pflegestellen zusammenarbeitet. „Gerade, wenn ich einen Ersthund haben möchte, ist es wichtig, zu wissen, ob er mit Kindern oder Katzen verträglich ist und wie er sich in einem häuslichen Umfeld verhält.“
Vor der Auswahl des Hundes sollte man erst einmal überlegen, was eigentlich die eigenen Erwartungen und Wünsche an das Tier sind. „Das kollidiert nämlich häufig mit dem Wesen des Hundes“, warnt Christa Wilczek. Deshalb sollte man niemals nach dem Aussehen kaufen, sondern auch schauen, welche Rasse beziehungsweise Rasseanteile der Vierbeiner hat. „Es ist ein großer Unterschied, ob da ein Jagdhund, ein Hütehund oder ein Herdenschutzhund mit drinsteckt“, sagt die Amtstierärztin.
Marie Nitzschner hat zudem die Erfahrung gemacht, dass auch das Herkunftsland der Hunde eine Rolle spielt: „Hunde aus Rumänien sind potenziell skeptischer, Fremden gegenüber misstrauischer und territorialer als Hunde aus Spanien“, sagt sie.
Doch nicht nur Aggressionen gegenüber Fremden kann ein Problem nach der Adoption sein. Manchmal werden auch die Besitzer oder die Kinder gebissen. „Wichtig ist dann, dass eine Fachperson im häuslichen Kontext auf das Tier schaut, um die Ursachen herauszufinden“, sagt Marie Nitzschner. Sprich: Ist der Hund besonders territorial oder eher besonders ängstlich? Und in welcher Situation hat er zugebissen? „Man muss immer super individuell sehen, was der Anlass war.“
Manchmal hilft es schon, dass das Tier in bestimmten Situationen einen Maulkorb trägt. Das sollte vorher geduldig und fachgerecht geübt werden. Ein Beißvorfall kann aber auch dazu führen, dass das Vertrauen der Familie verloren ist. „Das ist natürlich nicht schön, kann man aber nachvollziehen“, so Hundetrainerin Nitzschner. Eine Rückgabe von einem Tierschutzhund sollte ihrer Ansicht nach daher auf keinen Fall ein Tabu sein.
Neben Aggressionen sind andere typische Probleme meistens Leinenpöbelei, Stubenunreinheit oder dass die Tiere nicht alleine bleiben können. Oft hängen all diese Schwierigkeiten damit zusammen, dass der Hund in seiner neuen Umgebung einfach überfordert ist. „Seine bisherigen Lebenserfahrungen stimmen meistens ja überhaupt nicht mit dem Lebensumfeld überein, in das er hier hineingeworfen wird“, sagt Wilczek.
Manche Tiere haben zum Teil hochdramatische Erfahrungen mit dem Transport gemacht und zeigen große Angst-Symptome. „Geduld und Zuneigung alleine helfen dann nicht“, sagt die Verhaltensbiologin. Dann brauche es einen Hundetrainer oder Tierarzt, der auf ein solches Verhalten spezialisiert sei. Es gibt viele Stellschrauben im Alltag, an denen man drehen kann, um für mehr Struktur zu sorgen und dem Hund Sicherheit zu geben.
Natürlich gibt es nicht automatisch Schwierigkeiten, weil ein Hund aus dem Tierschutz stammt. Positiv bei den meisten ist, dass sie gut sozialisiert sind und sich problemlos mit Artgenossen verstehen. Tatsache ist jedoch auch, dass die Prägungsphase eines Hundes von der 4. bis zur 14. Lebenswoche dauert. „Hunde, die in dieser Zeit in einer Höhle oder einem Wald aufgewachsen sind, sind völlig überfordert, wenn sie zu Menschen oder in Städte kommen“, sagt Christa Wilczek.
Sollte man also besser einen jungen Hund oder Welpen wählen, den man noch prägen kann? „Das kommt extrem darauf an, was ich möchte“, sagt Marie Nitzschner. „Gerade bei Anfängern würde ich immer raten, einen erwachsenen, entspannten Hund zu nehmen, der verträglich ist mit Mensch und Tier. Dann kann man selbst nicht mehr so viel falsch machen.“
Ziehen Hunde an der Leine oder zerstören Gegenstände, sind das häufig einfach nur Erziehungsfehler. Und die sind menschengemacht und völlig unabhängig von der Herkunft des Hundes.
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