Gedenken nach Bluttat - Ermittler zurückhaltend | FLZ.de

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Veröffentlicht am 24.01.2025 09:11, aktualisiert am 24.01.2025 17:57

Gedenken nach Bluttat - Ermittler zurückhaltend

Viele Menschen kommen zum Tatort und legen Blumen und Kerzen ab. (Foto: Daniel Vogl/dpa)
Viele Menschen kommen zum Tatort und legen Blumen und Kerzen ab. (Foto: Daniel Vogl/dpa)
Viele Menschen kommen zum Tatort und legen Blumen und Kerzen ab. (Foto: Daniel Vogl/dpa)

Im Zeichen des Gedenkens stehen die Tage nach dem tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg. Am Wochenende ist eine große Trauerfeier geplant. Doch es gibt auch Kritik - vor allem an Politik und Behörden.

Die Ermittler arbeiten nach eigenen Worten intensiv an der Aufklärung des Verbrechens mit zwei Toten und drei Schwerverletzten. Der Verdächtige ist derweil in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses untergebracht. Inwiefern er Hilfreiches zur Aufklärung beisteuern kann, bleibt zunächst offen. 

Am Abend hatte die AfD zu einer Gedenkveranstaltung geladen, an der auch der rechtsextreme Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke teilnahm. Begleitet von Protesten warf er Regierungspolitikern vor, verantwortlich für Taten wie die in Aschaffenburg zu sein.

An eine Andachtsstätte mit zahlreichen Kerzen nahe dem Tatort im Park Schöntal kam Höcke zunächst nicht heran, da Gegendemonstranten sich davor positioniert hatten. Später legten er und andere AfD-Funktionäre Blumen an einer anderen Andachtsstätte nieder. Höckes Auftritt war durchgehend begleitet von „Nazis raus“-Rufen.

Ermittler geben sich zugeknöpft

Die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg und die Kriminalpolizeiinspektion Aschaffenburg wollen an Tag zwei nach der Tat keine Einzelheiten zum Ermittlungsstand veröffentlichen. „Unter anderem, weil selbstverständlich eine mögliche Beeinflussung der Erinnerung von Zeugen ausgeschlossen bleiben muss“, begründete Oberstaatsanwalt Marco Schmitt diese Entscheidung. 

So bleibt unter anderem offen, ob die Leichen der Todesopfer - ein zweijähriger Junge mit marokkanischer Herkunft und ein 41 Jahre alter Deutscher - bereits obduziert wurden und an welchen Verletzungen sie starben.

Zwei Verletzte noch in Klinik

Auch Details zum möglichen Tatablauf gibt es nicht. Öffentlich bekannt ist daher nicht, ob die Ermittler davon ausgehen, dass der verdächtige Afghane gezielt die Kinder einer Kita-Gruppe mit einem Küchenmesser angriff. Dabei wurden ein zweijähriges, syrisches Mädchen und ein 72 Jahre alter Deutscher schwer verletzt. Zudem brach sich eine Erzieherin in dem Tumult einen Arm. 

Die 59 Jahre alte Deutsche konnte am Donnerstag, einen Tag nach dem Angriff in einem Aschaffenburger Park, das Krankenhaus verlassen. Die beiden anderen Verletzten befinden sich nach wie vor in einer Klinik. „Das Kind wird nicht vor Montag entlassen“, sagte ein Polizeisprecher.

Verdächtiger in Bezirkskrankenhaus

Der verdächtige 28-Jährige ist seit Donnerstag in einer psychiatrischen Einrichtung. Die Ermittlungsrichterin am Amtsgericht Aschaffenburg hatte einen Unterbringungsbefehl erlassen. Das ist üblich, wenn es Anhaltspunkte gibt, dass ein Verdächtiger zur Tatzeit aufgrund einer psychischen Erkrankung schuldunfähig war.

Dem 28-Jährigen werden zweifacher Mord, zweifacher versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft hat er sich zunächst nicht zu den Vorwürfen geäußert. Er war vor der Tat in psychiatrischer Behandlung und hatte entsprechende Medikamente.

Menschen halten inne

Die Anteilnahme an dem blutigen Geschehen ist groß. Am Donnerstagabend kamen um die 3.000 Menschen zu einem stillen Gedenken in den Park.

Für Samstag plant ein Bündnis verschiedener gesellschaftlicher Akteure namens „Aschaffenburg ist bunt“ ein Gedenken am Theaterplatz der Stadt, wie das Bündnis auf Facebook mitteilte. Unter dem Motto „Aschaffenburg steht zusammen!“ wollen sich die Teilnehmer gegen eine Instrumentalisierung der Tat wenden.

Die zentrale Trauerfeier der Stadt soll am Sonntag stattfinden. Daran wollen auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) teilnehmen. Zu der Gedenkfeier mit ökumenischem Gottesdienst in der Stiftskirche sind nur geladene Gäste zugelassen. Ob auch Angehörige der Opfer teilnehmen werden, war zunächst unklar.

Söder ordnete für Sonntag eine bayernweite Trauerbeflaggung an. Zudem bleiben die städtischen Museen an diesem Tag geschlossen. 

Flüchtlingsrat fordert bessere Behandlung psychisch Kranker

Seit dem Messerangriff gibt es zahlreiche Reaktionen verschiedener politischer Lager. Der Bayerische Flüchtlingsrat beklagt eine Instrumentalisierung der Tat durch führende Politiker für ihre Wahlkampfinteressen. „Politische Versprechen vom Kanzlerkandidaten (Friedrich) Merz (CDU) wie „Grenzen zu für Geflüchtete”“ seien „die faktische Abschaffung des Asylrechts“. Das sei keine Lösung. 

Der Flüchtlingsrat forderte stattdessen eine bessere Gewaltprävention und eine bessere Früherkennung und Behandlung von psychischen Erkrankungen bei Flüchtlingen sowie die Unterbringung von Erkrankten in Wohngruppen. 

Kabarettist Priol kritisiert CSU

Der Aschaffenburger Kabarettist Urban Priol (63/„Neues aus der Anstalt“) kritisierte die bayerische Staatsregierung scharf. „Es ist schlimm, wie versucht wird, diese entsetzliche Tat politisch zu instrumentalisieren, um einen eigenen Vorteil daraus zu ziehen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur und sprach von einem „erbärmlichen Argumentationsniveau“ und „Scheinchristen der CSU“. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Söder (beide CSU) seien sehr schnell damit gewesen, der Bundesregierung in Berlin und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Schuld zuzuschieben.

© dpa-infocom, dpa:250124-930-353901/3


Von dpa
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