Nach dem tödlichen Angriff auf die zwölfjährige Luise im Siegerland hat das Jugendamt erste Maßnahmen für die fast gleichaltrigen mutmaßlichen Täterinnen ergriffen. Die beiden 12 und 13 Jahre alten Mädchen lebten vorerst nicht mehr bei ihren Familien, teilte der Kreis Siegen-Wittgenstein mit. Kontakt mit ihren Eltern hätten sie aber weiterhin.
Die Mädchen hatten gestanden, die zwölfjährige Luise mit zahlreichen Messerstichen getötet zu haben. An Luises Schule nahmen sich Klassenkameraden und Lehrer auch am Mittwoch viel Zeit, um die Tat zu besprechen und zu verarbeiten.
Am Tatort in einem abgelegenen Tal an der Grenze von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz waren die abgelegten Blumen und Kerzen am Mittwochmorgen wie in eine weiße Decke gehüllt: In der Nacht war Schnee gefallen. Er gab dem Ort, an dem sich die grausame Tat ereignete, etwas Friedliches.
Viele Menschen suchten weiterhin Trost in den beiden Kirchen der kleinen Stadt, in denen Trauerecken eingerichtet waren. Auch Kondolenzbücher liegen dort aus. Viele, die sich dort eintragen, kennen Luise und auch die beiden mutmaßlichen Täterinnen. „Es ist wichtig, nicht allein mit seinen Gefühlen und Gedanken zu hadern, sondern das Gespräch und den Austausch zu suchen mit der eigenen Familie, Freunden, Nachbarn, Vereinskameradinnen und Vereinskameraden“, sagte Bürgermeisterin Nicole Reschke.
Wegen ihres Alters sind die beiden Mädchen, die die Tat bei der Polizei gestanden haben, noch nicht schuldfähig und können nicht vor Gericht angeklagt werden. Das Jugendamt ist deshalb nun für die weiteren Maßnahmen verantwortlich. In einem ersten Schritt seien beide „außerhalb des häuslichen Umfeldes untergebracht“ worden, teilte der Kreis Siegen-Wittgenstein mit. „Das ist auch damit verbunden, dass die Kinder nicht ihre bisherigen Schulen besuchen.“
Die Mädchen hätten aber weiterhin Kontakt zu ihren Eltern. „Der Kontakt zur Familie ist aufgrund des jungen Alters der Mädchen für die Entwicklung einer gelingenden Unterstützung sehr bedeutsam und wird insofern unterstützt“, teilte der Kreis mit. Auch für die beiden Tatverdächtigen handele es sich um eine „ganz außergewöhnliche Situation, die viel Empathie und umsichtiges Agieren erfordert“, sagte Kreis-Jugenddezernent Thomas Wüst. Ob und wann sie zurück zu ihren Eltern können, sei offen. Es handele sich „um einen sehr komplexen Prozess, der zeitlich nicht eingegrenzt werden kann“, betonte eine Sprecherin.
Bei Kindern stehe nicht die Bestrafung, sondern die Erziehung und Entwicklung im Vordergrund, sagte Kriminalpsychologe Rudolf Egg dem WDR. Die Mädchen stünden am Anfang ihres Lebens. „Man muss ihnen jetzt nicht das gesamte Leben verbauen“, sagte der langjährige Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden. „Auch wenn sie moralisch sehr schwere Schuld auf sich geladen haben.“ Jugendämter hätten in einem solchen Fall eine Reihe von Optionen. „Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, dass die Familien eine Erziehungsbetreuung bekommen“, sagte Egg.
„Die Täterinnen sind noch Kinder“, sagte der Leiter der Staatsanwaltschaft Koblenz, Mario Mannweiler, der „Siegener Zeitung“. „Die haben ihr Leben noch vor sich - auch wenn es jetzt gerade so schief gelaufen ist, wie irgendwie nur denkbar. Wir müssen die Kinder schützen. Und ihre Familie auch.“
An der Schule der getöteten 12-Jährigen nahmen sich Schüler und Lehrer weiterhin viel Zeit für Gespräche. „Die Schule ist im Moment der Ort, an dem für die Schülerinnen und Schüler Austausch und Trauer möglich sind“, sagte Christoph Söbbeler, Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg. „Es gibt Halt, in gewohnter Umgebung mit vertrauten Menschen zusammen zu sein - gerade jetzt, wo andere Gewissheiten zusammengebrochen sind.“
Nach drei Tagen, in denen die Klassen Zeit für Gespräche und Trauerarbeit hatten, soll an diesem Donnerstag erstmals wieder Unterricht nach Stundenplan stattfinden. „Aber da besteht überhaupt kein Druck“, betonte Söbbeler. Wo Schülerinnen und Schüler noch den Wunsch nach Gesprächen hätten, stehe der reguläre Unterricht hinten an.
Die 12-jährige Luise war am Samstag vermisst gemeldet worden, am Sonntag wurde ihre Leiche gefunden. Bei der Obduktion wurden zahlreiche Messerstiche festgestellt. Das Mädchen war nach Angaben der Ermittler verblutet. Von der Tatwaffe fehlte weiterhin jede Spur. „Wir suchen nach einem Messer“, sagte Staatsanwaltschaft Mannweiler. „Aktuell gehen wir eher von einem haushaltsüblichen Gegenstand aus, also keine Waffe im eigentlichen Sinne.“ Zum Motiv für die Tat machten die Ermittler keine Angaben.
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