Auf dem Bauernhof aufwachsen, die Ausbildung in der Landwirtschaft machen, und irgendwann den Familienbetrieb übernehmen: Was idyllisch klingt, bringt in der Realität die ein oder andere Herausforderung mit sich. Marie Saudhof macht es trotzdem.
Die junge Landwirtin wird in den kommenden Jahren nach und nach den elterlichen Betrieb übernehmen. „Man will diese Tradition weiterführen und nicht das letzte Glied in der Kette sein, sondern das dann auch wieder weitergeben“, sagt sie. Im Moment arbeitet sie hauptberuflich bei der Landjugend Sachsen-Anhalt, die sich als Interessenvertretung für junge Leute in ländlichen Regionen sieht.
Der Familienbetrieb besteht an dem Standort in Könnern seit rund 30 Jahren. Vorher wirtschaftete die Familie in der Nähe von Hildesheim in Niedersachsen. Bis ins Jahr 1603 geht eigenen Erkenntnissen zufolge die landwirtschaftliche Tradition zurück. „Wir kommen eigentlich von einem 90-Hektar-Betrieb“, sagte Maries Vater, der aktuelle Betriebsleiter Matthias Saudhof. Mit der Wende habe es die „einmalige historische Chance“ gegeben, sich zu erweitern - am neuen Standort. In Könnern bewirtschaftet der Biobetrieb nun 620 Hektar.
So wie die Saudhofs haben sich viele Landwirte entschieden. „Ein großer Teil der landwirtschaftlichen Betriebe in Sachsen-Anhalt wurde in der Nachwendezeit gegründet“, sagte ein Sprecher vom Bauernverband Sachsen-Anhalt. Vielerorts hätten sich damals junge Landwirtinnen und Landwirte zusammengeschlossen, um sich eine Zukunft aufzubauen.
Fast die Hälfte aller Betriebsleiter in Sachsen-Anhalt sind mittlerweile nach Angaben des Statistischen Landesamts über 55 Jahre alt. Weniger als acht Prozent sind 34 oder jünger. Die Daten stammen aus der letzten Landwirtschaftszählung von 2020. Zehn Jahre zuvor lag der Anteil der Älteren bei knapp 38 Prozent. An den Zahlen lasse sich voraussehen, wie viele ihren Betrieb in den kommenden Jahren übergeben würden, heißt es vom Bauernverband.
Viele haben nicht das Glück, dass es eine Tochter oder einen Sohn mit einem Hang zur Landwirtschaft gibt. Die Suche nach Nachfolgern sei für Betriebe herausfordernd, sagt der Verbandssprecher. „Fachkräfte werden in allen Betriebszweigen und auf allen Ebenen gesucht, in Leitungsfunktionen wie in der Produktion.“ Grund dafür sei zum einen der branchenübergreifende Nachwuchsbedarf. Zum anderen sorgten die wirtschaftliche und insbesondere die politische Situation für Unsicherheit.
Matthias Saudhof ist mit seinen 51 Jahren zwar eigentlich noch weit vom Rentenalter entfernt, er will aber trotzdem den Hof übergeben. „Ich werde einen Teufel tun und sagen: Ich muss noch 14 Jahre! Dann müsste sie ja noch 14 Jahre warten.“ Die Tochter ergänzt: „Wenn das für mich nicht absehbar wäre, den Betrieb in ein paar Jahren alleine weiterzumachen, würde ich nicht hier sitzen. Dafür ist mir die private Beziehung dann zu wichtig, um sie über fünf Jahre aufs Spiel zu setzen.“
Vater und Tochter haben eine gemeinsame Gesellschaft gegründet, die nach und nach mit Flächen ausgestattet werden soll. Wenn alles gut läuft, führt die junge Landwirtin dann in fünf Jahren den Betrieb alleine. Bis dahin arbeiten Vater und Tochter eng zusammen. Und das bringt auch Probleme mit sich. Das Verhältnis der beiden habe sich verändert, berichtet die 25-Jährige. Der Schwerpunkt liege mittlerweile auf dem Betrieblichen. „Das Private ist komplett zurückgegangen.“
Anderen Landwirten, die im Prozess der Hofübergabe sind, rät sie, den Übergang ebenfalls zu entzerren: Gerade wenn es um den elterlichen Betrieb gehe, helfe es, den Druck herauszunehmen. „Das merke ich auch durch meine Arbeit bei der Landjugend. Das bringt ein bisschen Abstand rein in die ganze Geschichte.“ Wenn es darum geht, was ein junger Landwirt oder eine junge Landwirtin mitbringen muss, sind sich beide einig: „Ein dickes Fell.“ Insbesondere die Bürokratie sei in den vergangenen Jahren mehr geworden, sagt Matthias Saudhof.
Auch der Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbandes, Marcus Rothbart, warnt vor den bürokratischen Hürden: „Landwirtinnen und Landwirte müssen bei Übergaben vielfältige Aspekte berücksichtigen, die in der täglichen Arbeit keine große Rolle spielen, beispielsweise Erbverträge.“ Er empfiehlt gerade in juristischen Fragen, sich umfassend zu informieren und beraten zu lassen.
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