Die Weltwirtschaft erholt sich nach und nach von den Folgen der Corona-Krise und des russischen Krieges gegen die Ukraine - doch auf die aktuelle deutsche Konjunktur blickt der IWF skeptischer. Für dieses Jahr erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) nach seiner am Dienstag vorgelegten Konjunkturprognose ein Schrumpfen der deutschen Wirtschaft um 0,3 Prozent. Für die Weltwirtschaft insgesamt sind die IWF-Ökonomen dagegen inzwischen etwas zuversichtlicher.
Bei der vergangenen Schätzung im April sagte der IWF einen Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland um nur 0,1 Prozent voraus. Zur Begründung verwies der Fonds auf eine Schwäche der Industrieproduktion und das gesunkene Wirtschaftswachstum im ersten Quartal. Auch der Druck auf die Realeinkommen durch die gestiegenen Energiepreise trage dazu bei, sagte Ökonomin Petya Koeva Brooks.
Die Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft korrigierte der IWF auf 3,0 Prozent nach oben. Im April war sie noch von 2,9 auf 2,8 Prozent gesenkt worden. Für 2024 rechnet der IWF wie bisher mit 3,0 Prozent. Von 2000 bis 2019 - also bis zur Corona-Pandemie - lag der jährliche Schnitt aber bei deutlich höheren 3,8 Prozent, wie der Fonds betonte. 2022 wuchs die Weltwirtschaft noch um 3,5 Prozent.
Für 2024 rechnet der Währungsfonds in Deutschland nun mit einer etwas stärkeren Erholung. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde voraussichtlich um 1,3 Prozent statt der zuvor erwarteten 1,1 Prozent wachsen, schrieb der IWF im aktualisierten Weltwirtschafts-Ausblick. 2022 war die deutsche Wirtschaft noch um 1,8 Prozent gewachsen.
Auch der Ifo-Geschäftsklimaindex zeigt eine Verschlechterung der Stimmung in der deutschen Wirtschaft. Das stark beachtete Konjunkturbarometer fiel im Juli im Vergleich zum Vormonat um 1,3 Punkte auf 87,3 Punkte. Es ist der dritte Rückgang in Folge. Ökonomen interpretieren drei Rückgänge hintereinander normalerweise als konjunkturellen Wendepunkt.
IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas zeigte sich insgesamt vorsichtig optimistisch: Die Weltwirtschaft erhole sich nach und nach von der Pandemie und Russlands Angriff auf die Ukraine. „Auf kurze Sicht sind Zeichen des Fortschritts unbestreitbar.“ Doch es sei noch zu früh zum Feiern, da es weiter erhebliche Risiken gebe.
Die Covid-Krise sei offiziell ausgestanden, und die Wirtschaft habe sich trotz widriger Umstände robust gezeigt. Die Arbeitsmärkte seien überraschend stark, der steile Abfall der Preise für Energie und Lebensmittel habe den Inflationsdruck schneller gemindert als erwartet, betonte Gourinchas. Der IWF senkte die Prognose für die Inflation in diesem Jahr von 7,0 auf 6,8 Prozent.
Die Einschätzung des IWF könnte Notenbanken und Wirtschaftspolitikern signalisieren, dass ihre Bemühungen funktionieren, die Inflation zu drücken, ohne die Wirtschaft abzuwürgen.
Die Wirtschaft werde sich im Vergleich zu 2022 immer noch deutlich abkühlen, warnt der Währungsfonds. Die hohen Leitzinsen, mit denen die Notenbanken die galoppierende Inflation eindämmen wollen, verteuerten Kredite für Firmen und Verbraucher. Das schlage unter anderem auf den Immobilienmarkt durch. Zugleich liege die Inflation immer noch über den Zielmarken der Notenbanken.
Besonders besorgniserregend aus IWF-Sicht: In Industrieländern werde die Kerninflation ohne die stark schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise in diesem Jahr unverändert bei 5,1 Prozent liegen. „Die Schlacht gegen die Inflation ist eindeutig noch nicht gewonnen“, sagte Gourinchas.
Der Euroraum „taumelt“ aus Sicht des Währungsfonds immer noch nach dem Erdgas-Preisschub infolge des russischen Krieges gegen die Ukraine. Zugleich gebe es deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Ländern. So schraubte der IWF unter anderem wegen des aktuellen Reise-Booms etwa die diesjährige Prognose für Spanien hoch: Und zwar sehr deutlich von 1,5 Prozent Wachstum auf 2,5 Prozent. In Italien sollen es 1,1 Prozent statt der zuvor erwarteten 0,7 Prozent werden.
In der US-Wirtschaft sieht der IWF gemischte Signale. Die Prognose für dieses Jahr wurde zwar von 1,6 auf 1,8 Prozent angehoben. Auslöser seien unter anderem ein Zuwachs der Realeinkommen und eine Erholung der Autokäufe. Doch der IWF rechnet nicht damit, dass die Ausgabefreudigkeit andauern werde. Das in der Pandemie zusätzlich angesparte Geld sei weitgehend verbraucht, und von der US-Notenbank würden weitere Zinserhöhungen erwartet.
Der IWF veröffentlicht bei den zwischenzeitlichen Aktualisierungen seiner Prognosen im Sommer und Winter weniger ausführliche Informationen als im Frühjahr und Herbst. So werden nur ausgewählte Länder einzeln genannt.
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