Durch die bisherige Klimaerwärmung drohen Experten zufolge fünf großen Natursystemen möglicherweise unumkehrbare Umwälzungen. Das geht aus dem „Global Tipping Points Report“ (Kipppunkte-Bericht) hervor.
Unter Kipppunkten versteht man in der Klimaforschung, wenn durch kleine Veränderungen ein Domino-Effekt ausgelöst wird, dessen Folgen unter Umständen nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Das Konzept der Kipppunkte und damit verbundene Unsicherheiten werden in der Wissenschaftsgemeinde zum Teil intensiv diskutiert.
Erstellt wurde der Bericht von einem internationalen Team aus mehr als 200 Forschenden. Die Koordination lag bei der britischen Universität von Exeter und dem Bezos Earth Fund.
„Fünf große Kippsysteme laufen bereits Gefahr, bei der derzeitigen globalen Erwärmung ihren jeweiligen Kipppunkt zu überschreiten“, teilte das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) mit, das an dem Bericht beteiligt war. Dabei geht es um das grönländische und das westantarktische Eisschild, die subpolare Wirbelzirkulation im Nordatlantik, Warmwasserkorallenriffe und einige Permafrost-Gebiete. „Wenn die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius ansteigt, könnten mit borealen Wäldern, Mangroven und Seegraswiesen drei weitere Systeme in den 2030er Jahren vom Kippen bedroht sein“, so das PIK.
Würden mehrere Kipppunkte überschritten, bestehe zudem das Risiko eines katastrophalen Verlusts der Fähigkeit, Pflanzen für Grundnahrungsmittel anzubauen, warnen die Autoren des Berichts. „Ohne dringliches Handeln, um die klimatische und ökologische Katastrophe aufzuhalten, werden Gesellschaften überfordert sein, wenn die Natur aus den Fugen gerät“, hieß es in einer Mitteilung der Universität Exeter.
Da die bisherige Antwort der Regierungen weltweit nicht ausreichend sei, legen die Forscher sechs Empfehlungen vor, um die negativen Kipppunkte zu vermeiden und sogar positive Kipppunkte einzuleiten.
Zu den sechs Empfehlungen gehört demnach, Emissionen durch fossile Brennstoffe und durch Landnutzung deutlich vor der Jahrhundertmitte zu stoppen. Zudem sollten negative Konsequenzen für besonders stark betroffene Gruppen und Länder abgemildert werden. Es brauche auch koordinierte Bemühungen, um positive Kipppunkte auszulösen und die Aufmerksamkeit für Kipppunkte zu erhöhen.
Als Beispiele für positive Kipppunkte gelten der Ausbau erneuerbarer Energien und der Umstieg auf Elektromobilität. „Eine Kaskade positiver Kipppunkte würde Millionen von Leben retten, Milliarden Menschen Leid ersparen, Billionen von Dollar an Schäden verhindern und den Anfang für eine Wiederherstellung der Natur machen, auf die wir alle angewiesen sind“, hieß es dazu in der Uni-Mitteilung.
© dpa-infocom, dpa:231206-99-194716/2