Die Einschläge kommen näher, buchstäblich. In der Umgebung von El Fasher, der Hauptstadt der sudanesischen Region Nord-Darfur, sind in den vergangenen Wochen mehr als zwei Dutzend Dörfer bei Kämpfen zwischen Regierungstruppen und der Miliz RSF zerstört worden. Das stellten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Humanitarian Research Lab der Universität Yale bei der Auswertung von Satellitenbildern und Wärmebildern fest.
Was aus den Bewohnern wurde, darüber lässt sich nur mutmaßen. Wenn sie überlebten, flüchteten sie vermutlich nach El Fasher, wo bereits etwa 700.000 Menschen Zuflucht gesucht haben. Monatelang war es in El Fasher relativ ruhig, gemessen an den Gewalttaten in dem seit mehr als einem Jahr andauernden blutigen Konflikt im Sudan.
Die Stadt, in der mittlerweile rund 800.000 Menschen leben, ist die letzte größere in Darfur, in der die sudanesischen Regierungstruppen noch weitgehend die Kontrolle haben. Nun warnen Experten, Diplomaten und Hilfsorganisationen: Der Kampf um die Kontrolle über El Fasher scheint allen Anzeichen nach bevorzustehen. Hunderttausende Menschen wären dann bedroht.
„Das Einzige, worauf wir hoffen können, ist, dass die RSF sich nicht verhält wie die RSF“, sagt Nathaniel Raymond, Leiter des Humanitarian Research Lab. Denn die Miliz wird immer wieder im Zusammenhang mit schweren Menschenrechtsverbrechen genannt - Vergewaltigungen und Versklavung, willkürliche Erschießungen, Folter und Plünderungen.
Etwa in West-Darfur, wo der RSF Massaker an der Volksgruppe der Massalit vorgeworfen werden. In einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch ist von ethnischen Säuberungen die Rede. Das Ausmaß des Tötens an Zivilisten führe zu der Frage, ob die RSF alle oder einen großen Teil der Massalit töten wolle, so die Organisation. Dies würde auf einen möglichen Völkermord hinweisen.
Wenn die RSF die Kontrolle über El Fasher erhalte, dann sei ein weiteres Massaker programmiert, warnt Hala al-Karib von der Fraueninitiative am Horn von Afrika, einer zivilgesellschaftlichen Organisation. „Wir sind zutiefst besorgt um die Frauen unseres Netzwerks vor Ort“, sagt sie. Bedroht sieht sie auch die Menschen im Flüchtlingslager Zamzam, dem zweitgrößten Darfurs. Es liegt etwa zwölf Kilometer von El Fasher entfernt.
Das Darfur Netzwerk für Menschenrechte, eine weitere zivilgesellschaftliche Organisation in Darfur, spricht von einem Klima der Angst und Verunsicherung. In Darfur sind die Erinnerungen an schlimmste Gräueltaten vor 20 Jahren sehr lebendig. Viele fürchten, die Geschichte könnte sich wiederholen. Damals nahm der Internationale Strafgerichtshof (ICC) ein Verfahren wegen mutmaßlichen Völkermords auf.
Auch der damalige Konflikt hatte eine ethnische Komponente: Arabische Milizen, die später in der RSF aufgingen, töteten Menschen der Volksgruppen der Massalit, Zaghawa und Fur.
ICC-Chefankläger Karim Khan sagte dem UN-Sicherheitsrat Ende Januar, sein Büro sehe Hinweise auf Kriegsverbrechen bei beiden Konfliktparteien. Khan beklagte das Klima der Straflosigkeit im Sudan: „Ohne Gerechtigkeit für die vergangenen Gräueltaten verurteilen wir die heutige Generation - und wenn wir jetzt nichts tun, verdammen wir künftige Generationen, das gleiche Schicksal zu erleiden.“
Vor allem das Leben vieler kleiner Kinder ist bereits in Gefahr. Lebensmittel werden knapp oder sind angesichts hoher Preise unerschwinglich. Kämpfe in El Fasher könnten eine humanitäre Katastrophe auslösen, fürchtet Shewit Woldemichael vom Thinktank International Crisis Group.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen kam nach einer Untersuchung im Flüchtlingslager Zamzam in Nord-Darfur Anfang des Jahres zu dem Ergebnis: 30 Prozent der untersuchten Kinder litten unter akuter Mangelernährung, acht Prozent galten als schwer unterernährt. Vor einer drohenden Hungerkatastrophe im gesamten Sudan warnen Experten der Vereinten Nationen und des Frühwarnsystems für Hunger (FEWS) seit Monaten. Transport- und Warenwege seien unterbrochen und die Konfliktparteien verhinderten Hilfstransporte.
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