Dietrich Sailer hat einen Traum: Gemeinsam mit seinen Söhnen Leo und Luis will er den eingefahrenen Münchner Biermarkt aufmischen. Dafür hat er die Münchner Kindl-Brauerei wieder aufleben lassen, die es bis Anfang des 20. Jahrhunderts schon mal gab und die nun ein familiäres Gegengewicht werden soll zu den Platzhirschen Augustiner, Paulaner und Co.
Am südlichen Stadtrand von München hat er darum ein Grundstück gekauft, auf dem zuletzt eine alte Tankstelle stand. Dort soll bald Bier gebraut werden - und zwar nicht irgendeines, sondern ganz offiziell ein Münchner Bier. Und dafür geht es nun erstmal tief hinab: Gerade hat die Münchner Kindl-Brauerei mit Bohrarbeiten für einen Brunnen begonnen. Aus 180 Metern soll Wasser gewonnen werden, mit dem das dann achte Münchner Bier gebraut wird.
Verantwortlich für die Bohrung ist Johannes Abt, ohne den es genau genommen kaum Münchner Bier geben würde. Denn er hat schon Tiefbrunnen für so ziemlich alle Münchner Brauereien gebohrt oder gewartet. Je nach Bodenschicht schaffen er und seine Leute auf der Baustelle der Münchner Kindl-Brauerei 5 bis 15 Meter am Tag. Das Wasser aus großer Tiefe habe den Vorteil, dass es komplett unbelastet von Nitraten oder irgendwelchen Verunreinigungen ist und zum Bierbrauen verwendet werden könne, ohne dass es aufbereitet werden müsse, sagt Abt.
Der wichtigste Vorteil aber ist ein markenrechtlicher: Ein solcher Tiefbrunnen innerhalb der Stadtgrenzen ist nämlich unumstößliche Bedingung dafür, dass ein Bier ganz offiziell Münchner Bier heißen und dann vielleicht in weiter Ferne auch auf dem Oktoberfest ausgeschenkt werden darf. Das ist eine ziemlich große Sache. Denn in München galt seit Ewigkeiten: Nur Augustiner, Hacker, Hofbräu, Löwenbräu, Paulaner und Spaten dürfen ihr Gebräu Münchner Bier nennen und auf der Wiesn verkaufen.
Diesen Bier-Giganten, die inzwischen oft zu international agierenden Konzernen gehören, wollen Sailer und Söhne mit ihrem Familienbetrieb und der Wiederbelebung des Münchner Kindls die Stirn bieten. „Wir sind davon überzeugt, dass München eine kleine Familienbrauerei gut brauchen könnte und dass es gut der Stadt zu Gesicht stünde“, sagt Sohn Leo Sailer. Die großen Münchner Brauereien hätten sich durch Internationalisierung und den Anschluss an größere Konzerne vom Münchner Biermarkt wegbewegt. „Das Bewusstsein ist ein bisschen verloren gegangen“, sagt er. Gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder wolle er einen Beitrag leisten, „dass die Biervielfalt in München gestärkt wird“.
Und damit sind sie nicht allein: Auch Giesinger Bräu darf sich dank eines Tiefbrunnens in der bayerischen Landeshauptstadt inzwischen Münchner Bier nennen, als siebte Marke, und ist schon etwas weiter als die Männer vom Münchner Kindl. Auch die Philosophie ist eine ganz andere. Während die Münchner Kindl-Brauerei, deren Chefs aus einer Brauer-Dynastie vom Chiemsee kommen, eher auf Tradition setzen, geben sich Giesinger-Chef Steffen Marx und sein Team vergleichsweise hip, urban und ein bisschen rebellisch.
Auf die Wiesn hat Brauereichef Marx es aber trotzdem - oder deswegen - noch nicht geschafft. Die bürokratischen und wohl auch politischen Hürden sind hoch. Damit eine siebte Brauerei auf dem Oktoberfest zugelassen werden darf, ist ein entsprechender Stadtratsbeschluss nötig. Doch es ist das erklärte Ziel für „in drei bis fünf Jahren“. Und bis es so weit ist, probt Marx schon mal auf seinem eigenen Gelände die große Sause: Zu Starkbierzeit in diesem Jahr soll auf dem Grundstück der Brauerei im Münchner Norden ein Volksfest-Zelt aufgebaut werden.
Ob die Wiesn auch das Fernziel der Münchner Kindl-Brauerei ist? Vater Sailer und seine Söhne geben sich da eher zurückhaltend. Man stehe ja noch ganz am Anfang. Ende dieses Jahres will die Münchner Kindl-Brauerei das erste Bier brauen, Anfang 2026 dann soll die Brauerei offiziell eröffnet werden. „Es hat sich viele Jahrzehnte in dem Bereich nichts getan“, sagt Leo Sailer über den Münchner Biermarkt - doch jetzt tue sich was. „Und das ist auch gut, dass sich was tut.“
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