Zur Abwehr der neuen Offensive der russischen Armee im Osten der Ukraine brauchen die ukrainischen Streitkräfte nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj rechtzeitige Hilfslieferungen aus dem Ausland. „Was wirklich hilft, sind die Waffen, die tatsächlich in die Ukraine gebracht werden, und nicht nur angekündigte Pakete“, sagte Selenskyj in seiner allabendlichen Videoansprache.
Die russische Offensive sei nicht überraschend gekommen. „Wir kennen die Stärke der Truppen des Besatzers und sehen ihren Plan“, sagte Selenskyj. „Unsere Soldaten, unsere Artillerie und unsere Drohnen reagieren auf die Besatzer.“ Die russischen Streitkräfte waren am Morgen über die Landesgrenze hinweg zu einem Großangriff gegen die ostukrainische Millionenstadt Charkiw angetreten. In einem ersten Ansturm konnten sie vier kleinere Dörfer unmittelbar hinter der Grenze erobern.
Selenskyj dankte US-Präsident Joe Biden für das neueste Hilfspaket der US-Regierung. Das US-Außenministerium teilte in Washington mit, das Paket habe einen Umfang von rund 400 Millionen US-Dollar (rund 371 Millionen Euro). Es beinhalte unter anderem Munition für das Luftabwehrsystem Patriot, weitere Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars mit Munition sowie Stinger-Flugabwehrraketen und Artilleriemunition mit den Kalibern 155 und 105 Millimeter. „Das ist es, was wir brauchen, sagte Selenskyj. Nunmehr müsse an der Logistik gearbeitet werden, um alle Waffen so schnell wie möglich an die Frontlinie zu bringen.
Der frühere russische Präsident und heutige Vize-Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, droht London und Paris mit drastischen Gegenschlägen im Falle ukrainischer Angriffe mit britischen oder französischen Marschflugkörpern. Derartige Angriffe gegen russisches Gebiet würden nicht „von Idioten in bestickten Gewändern geleitet, sondern von Briten und Franzosen“, schrieb Medwedew auf Telegram. Mit den „bestickten Gewändern“ spielte er auf die traditionelle Tracht der Ukrainer an. Die Antwort auf solche Angriffe werde „unter Umständen“ nicht gegen Kiew gerichtet sein, drohte er. „Und das nicht nur mit konventionellem Sprengstoff, sondern auch mit Spezialmunition.“ Dies sollten auch die „nicht vollständig ausgebildeten Idioten Seiner Königlichen Hoheit“ verstehen, sagte er an Großbritannien gerichtet.
Der britische Außenminister David Cameron hatte vor einigen Tagen bei seinem Besuch in Kiew der Ukraine erneut Unterstützung zugesichert. Der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge betonte er während seiner Reise, es liege an Kiew zu entscheiden, wie die Ukrainer gelieferte Waffen einsetzten. Russland habe die Ukraine angegriffen und die Ukraine habe das Recht zurückzuschlagen. Auf die Frage, ob dies Ziele in Russland selbst einschließe, sagte er demnach: „Das ist eine Entscheidung für die Ukraine und die Ukraine hat dieses Recht.“
Einer der wichtigsten Unterstützer der Ukraine - auch im militärischen Bereich - ist Deutschland. Und Berlin legt nun noch einmal nach. Die Bundesregierung werde die Lieferung von drei weiter reichenden Raketenartilleriesystemen aus den USA an die Ukraine bezahlen, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in Washington nach Gesprächen mit seinem Amtskollegen Lloyd Austin. „Die stammen aus Beständen der US-Streitkräfte und werden von uns bezahlt.“ Die Systeme kosten einen höheren zweistelligen Millionenbetrag.
Russland hatte zuletzt verärgert auf die Waffenlieferungen und die Unterstützungsbekundungen des Westens an die Ukraine reagiert. Präsident Wladimir Putin ordnete eine Atom-Übung an, die - wie auch die Militärparade auf dem Roten Platz - weithin als Machtdemonstration des Kremls wahrgenommen wurde. Immer wieder wurden aus Moskau auch Drohungen laut, die Atomwaffen im Notfall einzusetzen.
Der ukrainische Justizminister Denys Maljuska sagte am Rande eines G7-Justizministertreffens in Venedig: „Dies sind leere Drohungen, die sich an ein westliches Publikum richten, nicht an die Ukraine.“ Das Ganze habe keinen militärischen Nutzen und wäre für Russland selbst zerstörerisch, weil es durch einen Atomwaffeneinsatz einige Verbündete verlieren würde.
Putin hält an Michail Mischustin als Regierungschef fest. Die Staatsduma stimmte seinem Vorschlag am Nachmittag mehrheitlich zu. Von den 432 anwesenden Abgeordneten stimmten 375 für Mischustin, die übrigen 57 enthielten sich der Stimme, wie die Staatsagentur Tass berichtete.
Mischustin hat den Posten als Ministerpräsident seit dem Jahr 2020; er löste damals den jetzigen Vize-Chef des nationalen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, ab. Der frühere Leiter der Steuerbehörde gilt als Technokrat ohne eigene politische Ambitionen.
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