Lukas Märtens schlug fassungslos die Hände vors Gesicht, dann schwang er sich auf die Leine und feierte den gigantischen Olympia-Triumph mit erhobener Faust. Der 22-Jährige hat sich zum Schwimm-Olympiasieger über 400 Meter Freistil gekürt und dem deutschen Team die erste Medaille bei den Sommerspielen in Paris beschert. Der Magdeburger beendete dabei eine schier endlose Wartezeit: Seit 1988 in Seoul hatte kein deutscher Mann mehr olympisches Gold im Beckenschwimmen geholt.
„Die letzten Jahre liefen schon phänomenal, und jetzt die Krönung in diesem wirklich sehr, sehr schwierigen Jahr“, schwärmte Märtens in der ARD. „Da, wo es unmöglich scheint, ganz oben zu stehen, da ist es vielleicht am möglichsten.“
Bei der Siegerehrung in der tobenden Schwimm-Arena hatte Märtens Tränen in den Augen, schüttelte ungläubig den Kopf. Immer wieder pustete er tief durch, um nicht vollständig von seinen Emotionen überwältigt zu werden. „Es war extrem schwer, aber es war so schön. Es hat einfach alles gekribbelt“, erzählte Märtens. Ihm seien so viele Gedanken und Personen durch den Kopf gegangen, die ihn all die Jahre unterstützt hatten. Dem euphorischen Publikum applaudierte er dankbar.
Dem Deutschen Schwimm-Verband sicherte Märtens das erste Gold in einem Olympia-Becken seit Britta Steffens Doppel-Triumph 2008 in Peking. Bei seinem mit Abstand größten Erfolg der Karriere schlug der 22-Jährige nach 3:41,78 Minuten an. Märtens setzte sich vor dem zweitplatzierten Elijah Winnington aus Australien und dem Südkoreaner Kim Woomin durch. Nachdem er lange klar geführt hatte, wurde es im Finish noch spannend. „Am Ende stand ich“, räumte der Deutsche ein - doch der Vorsprung reichte.
Mit Goldmedaille um den Hals drehte er eine Ehrenrunde und posierte für Jubelbilder vor den Fotografen. „Er kann so stolz auf sich sein, hat es sich so verdient. Er macht im Training so krasse Sachen“, sagte Märtens' Ex-Freundin und Trainingspartnerin Isabel Gose in der ARD und weinte vor Freude. Sie selbst belegte über 400 Meter Freistil Rang fünf.
„Das Rennen war einfach Weltklasse. Ich bin selten sprachlos. Dass ich mal beim Kommentieren Tränen in den Augen habe“, sagte der frühere Schwimm-Weltmeister Thomas Rupprath bei Eurosport. „Er ist mutig von vorne bis hinten sein Rennen geschwommen und hat sich von niemandem beirren lassen. Märtens ist verdient Olympiasieger geworden.“
Märtens war als Topfavorit und Weltjahresbester zu Olympia in die französische Hauptstadt gereist. Bei den deutschen Meisterschaften Ende April hatte er lange auf Weltrekordkurs gelegen, schlug am Ende nach 3:40,33 Minuten an. Auch die internationale Konkurrenz wusste spätestens jetzt: Mit dem Schützling von Langstrecken-Bundestrainer Bernd Berkhahn ist beim großen Saisonhöhepunkt noch mehr zu rechnen, als bei den jüngsten Großereignissen schon.
Bereits in den vergangenen Jahren hat sich Märtens in der Weltspitze etabliert. Bei den Weltmeisterschaften 2022, 2023 und 2024 gewann er jeweils eine Medaille. Auch von gesundheitlichen Problemen lässt er sich nicht aufhalten. Eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung macht ihm schon länger zu schaffen und erfordert bald einen Eingriff. Für das große Ziel Olympia hat er auf eine Operation bislang verzichtet. Immer wieder muss er Antibiotika nehmen.
„Ich denke, wir haben mich ganz gut hinbekommen“, sagte Märtens mit Blick auf seine Gesundheit nach den Vorläufen am Vormittag. In 3:44,13 Minuten hatte er sich als Schnellster für den Endlauf qualifiziert. Die Atmosphäre in der prall gefüllten La Défense Arena begeisterte ihn. „Da bin ich noch nichts Besseres gewohnt außer im Fußballstadion“, sagte er.
„Ich bin super drauf. Mein Trainer hat mich super vorbereitet“, erklärte Märtens zudem. „Gesundheitlich habe ich das alles gut in den Griff bekommen. Deswegen steht nichts im Weg für heute Abend.“ Er sollte Recht behalten. In dem Gold-Rennen belegte der zweite deutsche Starter, Oliver Klemet, den siebten Platz.
Für Märtens geht es schon am Sonntagmorgen weiter. Er ist im Vorlauf über 200 Meter Freistil gefordert. Auch auf dieser Distanz zählt er zu den Medaillenkandidaten. Zudem sind Starts über 200 Meter Rücken und mit der 4x200 Meter Freistil-Staffel geplant. „Heute kann man ein bisschen feiern, morgen geht es weiter“, kündigte Märtens an. „Ich habe noch ein bisschen was vor.“
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