Weniger als jede und jeder Dritte in Deutschland hält den Staat einer neuen Umfrage zufolge derzeit für fähig, seine Aufgaben zu erfüllen. Den Staat überfordert sehen deutliche Anteile derzeit in den Bereichen Energie und Klimaschutz. Das zeigt eine am Donnerstag in Berlin präsentierte Bürgerbefragung des Beamtenbunds dbb.
Weniger Menschen als früher sehen den Staat bei der Schul- und Bildungspolitik überfordert sowie bei Migration und innerer Sicherheit. Das Institut Forsa erhebt jährlich für den dbb Daten zum Vertrauen in Staat und öffentlichen Dienst.
In der im Juli durchgeführten Erhebung gaben nur noch 29 Prozent der Befragten an, der Staat sei handlungsfähig und könne seine Aufgaben erfüllen. Der Wert lag 2019 schon einmal bei nur 34 Prozent. 2021 hielten 45 Prozent den Staat für handlungsfähig. Zwei Drittel (66 Prozent) halten den Staat derzeit für überfordert nach 51 Prozent im vergangenen Jahr.
Der dbb-Vorsitzende Ulrich Silberbach sagte: „Der Trend war bereits letztes Jahr zu erkennen, jetzt ist das Kind endgültig in den Brunnen gefallen.“ Der Staat präsentiere sich als schlechter Krisenmanager. Silberbach nannte etwa die Klimakrise oder Corona. Der Gewerkschafter sagte: „Jetzt zahlt die Gesellschaft den Preis dafür, dass wir bei der Politik um jeden Euro und jede Stelle für den öffentlichen Dienst feilschen müssen.“
In der Umfrage schlagen sich aktuelle politische Sorgen nieder. So meinen 17 Prozent derjenigen, die den Staat für überfordert halten, dies sei vor allem in Sachen sichere und bezahlbare Energieversorgung der Fall. Im vergangenen Jahr hatten dies nur 4 Prozent gesehen.
Bei Schule und Bildung halten noch 13 Prozent den Staat für überfordert - 2019 waren es hier noch 24 Prozent. Bei Klima- und Umweltschutz haben 15 Prozent diesen Eindruck (2019: 13 Prozent). Hingegen sehen nur noch 10 Prozent den Staat derzeit in der Asyl- und Flüchtlingspolitik als überfordert an - 2019 waren dies noch 19 Prozent.
Nur 9 Prozent, die den Staat für überfordert halten, halten ihn im Umgang mit dem Krieg in der Ukraine oder mit Russland für überfordert.
Beim Ansehen einzelner Berufsgruppen stehen nach wie vor Feuerwehrleute mit einem hohen Ansehen bei 93 Prozent der Befragten an oberster Stelle - gefolgt von Beschäftigten in der Pflege, bei der Polizei, in der Kindererziehung sowie Ärztinnen und Ärzten. Allerdings gingen die Werte in diesen Gruppen teils deutlich nach unten: So haben Polizistinnen und Polizisten noch bei 78 Prozent ein hohes Ansehen - nach 85 Prozent im vergangenen Jahr.
Silberbach unterstrich, dass unter den beliebtesten Berufsgruppen überwiegend Jobs aus der Daseinsvorsorge seien. „Wer einen konkreten Dienst für die Gesellschaft erbringt, erfährt von seinen Mitmenschen dafür in der Regel Wertschätzung - oft mehr als vom Arbeitgeber oder Dienstherrn“, sagte der dbb-Chef.
Unter den Aufgaben des Staates halten mit 62 Prozent viele die Aufrechterhaltung der sozialen Gerechtigkeit in der Gesellschaft für besonders wichtig. Investitionen in den Klimaschutz sehen 53 Prozent als sehr wichtig, die Verbesserung der Infra- und Verkehrsstruktur 45 Prozent, einen Ausbau und die Modernisierung des öffentlichen Dienstes 44 Prozent.
Der Deutsche Richterbund wies auf das deutlich gesunkene Ansehen der Richterschaft hin - mit minus 15 Prozentpunkten im Fünf-Jahres-Vergleich. Die Arbeit der Gerichte bewerten die Befragten mit der Schulnote 3. „Die deutlich sinkenden Zustimmungswerte für die Richterschaft in der Bürgerbefragung des Beamtenbundes müssen ein Weckruf für die Politik sein“, sagte Geschäftsführer Sven Rebehn. Die Politik müsse die Justiz massiv stärken.
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