Flüsterleise Lieferfahrzeuge, Paketboten ohne Dieselqualm, Handwerker auf der grünen Welle und Wohnmobile ohne Klimascham – längst hat die elektrische Revolution auch die leichten Nutzfahrzeuge erfasst. Mehr noch als im Pkw hat es dort bislang allerdings vor allem mehr oder minder kompromissbehaftete Umrüstungen gegeben, die von alltagstauglichen Einsatzprofilen weit entfernt sind. Doch so langsam setzt bei den Herstellern auch da ein Umdenken ein und es gibt große Entwicklungssprünge.
Nach Renault, Fiat und Ford schickt deshalb jetzt auch Mercedes eine weitere Evolutionsstufe seiner größten Transporter-Baureihe ins Rennen: Ab dem Frühjahr verkaufen die Schwaben zu Preisen ab rund 71.200 Euro den eSprinter 2.0 und versprechen dafür mehr Reichweite, mehr Fahrkomfort und mehr Intelligenz.
Herzstück dafür ist ein neuer Baukasten, mit dem die wesentlichen Komponenten, die Hochvolt-Steuerung, die Akkus und der Motor in drei Modellen gebündelt und besser in der Plattform integriert werden können.
Das soll vor allem die Flexibilität erhöhen – und mit ihr die Marktabdeckung. Denn auch wenn Mercedes angesichts der hohen Nachfrage bei Paket- und Kurierdiensten erst einmal mit einem Kastenwagen in zwei Längen und mit zwei Dachhöhen beginnt, werden so erstmals auch andere Ausbauformen möglich: Egal ob Pritschenwagen, Kleinbus oder gar Wohnmobil – künftig kann damit jeder Sprinter auch als Stromer gebaut werden, sodass nicht nur Handwerker, Lieferanten oder Firmenfahrer hinters Steuer kommen, sondern zunehmend auch Privatleute – und wenn es nur beim nächsten Umzug im Miettransporter ist.
Beim Generationswechsel macht vor allem die Reichweite einen Sprung: Während es den Erstling nur mit bescheidenen 35 oder 47 kWh gab und spätestens nach knapp 160 Kilometern ein Ladestopp fällig wurde, baut Mercedes jetzt bereits in der Einstiegsversion einen 56 kWh-Akku für 220 Kilometer ein. Alternativ gibt es 81 kWh für 310 Kilometer.
Oder aber man nimmt das dann allerdings schon mehr als 100.000 Euro teure Topmodell mit 113 kWh. Das soll mit 440 Kilometern Aktionsradius für einen langen Arbeitstag oder einen Kurzurlaub reichen und auf Pkw-Niveau liegen. Nur beim Laden trennen den Transporter Welten davon: Denn über 11 kW am Wechsel- und 115 kW am Gleichstrom können E-Fahrer sonst nur noch lachen.
Dafür schlägt der Sprinter die Pkw beim Laden in anderer Hinsicht natürlich um Längen: Schließlich bietet kaum ein anderes E-Auto runde 1,2 Tonnen Zuladung, einen so großen, tiefen und flachen Kofferraum mit bis zu 14 Kubikmetern Volumen und kann obendrein noch zwei Tonnen ziehen.
Zwar geht es beim E-Antrieb vor allem ums Klima. Aber gerade bei einem Transporter wächst mit dem Wechsel der Komfort: Wo die Diesel lautstark dröhnen und in der riesigen Kabine einen klanggewaltigen Resonanzraum finden, kommt die Stille des Stromers hier noch besser zur Geltung.
Und das mächtige Anfahrdrehmoment der E-Maschine hilft obendrein: Natürlich ist so ein Lieferwagen kein Leistungssportler. Aber wenn ein Sprinter seinem Namen gerecht wird, dann die Elektroversion mit ihren 400 Nm, die von der ersten Umdrehung an abgerufen werden können. Allerdings lässt der Elan notgedrungen schnell wieder nach.
Denn egal, ob man die Version mit 100 kW/136 PS bestellt oder mit 150 kW/204 PS: Das Spitzentempo ist auf vielfachen Wunsch der Flottenbetreiber erst einmal auf 90 km/h begrenzt. Und selbst, wer bei der Bestellung die Anhebung der Höchstgeschwindigkeit ankreuzt, fährt nicht flotter als 120 Sachen.
Mit der neuen Antriebsgeneration gibt es für den Sprinter eine Modellpflege, von der auch die Verbrenner profitieren – selbst wenn sich am Design kaum etwas ändert. Dafür allerdings baut Mercedes neue oder stark verbesserte Assistenzsysteme ein und schlaut das Infotainment auf: Die jüngste MBUX-Generation mit Sprachsteuerung läuft auf einem größeren Bildschirm und trägt besonders den Ansprüchen der Generation E Rechnung. So lässt sich das Auto an der Steckdose programmiert vorklimatisieren und die Navigation ermittelt neben der Strecke auch die passenden Stopps zum Laden.
Die erste Auflage des elektrischen Sprinters war nicht viel mehr als ein Alibi. Doch die zweite Generation ist schon ein gutes Stück weiter im Alltag angekommen und eignet sich für sehr viel mehr Einsatzzwecke und wird durch die möglichen Aufbauvarianten auch für Privatleute interessant. Und dabei will es Mercedes nicht belassen. Sonden schon in zwei Jahren kommt eine weitere Generation, die alles noch besser machen soll - und hoffentlich auch ein wenig billiger wird. Denn der Haken ist der hohe Preis.
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