Entschlossen umgreift Frank Elstner (81) den Tischtennisschläger. Der frühere „Wetten, dass..?“-Moderator wirkt etwas wackelig, visiert sein Ziel aber fest an: Die gegenüberliegende Seite der Tischtennisplatte, auf der ihm der kleine Ball vielleicht gleich zum Sieg verhelfen könnte. „Mir geht es aber eigentlich gar nicht darum zu gewinnen“, gibt der Moderator schmunzelnd preis und sieht sich um. „Ich habe überhaupt keine Chance.“
Aus 15 Nationen sind Menschen unterschiedlichen Alters in Düsseldorf zusammengekommen, um gegen den gemeinsamen Feind zu spielen: ihre Parkinson-Krankheit. Neben Elstner nehmen 199 weitere Parkinson-Erkankte an dem größten deutschlandweiten Tischtennis-Turnier des ehrenamtlichen Vereins PingPongParkinson in Düsseldorf teil.
„Wenn man so eine Diagnose vom Arzt bekommt, hat man zwei Möglichkeiten. Entweder man verzweifelt oder man kämpft. Ich habe mich fürs Kämpfen entschieden!“, so TV-Veteran Elstner. Eine Möglichkeit: Tischtennis-Spielen. Doch wie kann der Sport bei einer Krankheit helfen, bei der Nervenzellen im Gehirn geschädigt werden?
Viele Symptome der Krankheit wie Muskelzittern, Starre oder Bewegungsarmut lassen sich laut Georg Ebersbach, Chefarzt des Parkinsonzentrums der Beelitz-Heilstätten in Brandenburg und Mitglied im Vorstand der Parkinson-Stiftung, gut mit Medikamenten behandeln. Doch stoppen ließe sich die Krankheit bislang nicht. Deshalb sei es wichtig, das Fortschreiten zu verlangsamen. Genau dabei soll das Tischtennis-Spielen helfen - wissenschaftliche Studien gibt es dazu bislang wenig.
Ebersbach zufolge ermöglicht Tischtennis - ähnlich wie Tanzen oder Boxen - Bewegungsabläufe, die für Parkinson-Erkrankte ansonsten im Alltag nicht mehr möglich sind. Hinzu kämen das allgemeine Training von Ausdauer, Konzentration und Reaktionsschnelligkeit sowie das Gemeinschaftserlebnis beim Spielen in der Gruppe, das den Symptomen der Krankheit entgegenwirke.
„Aus unserer Befragung ging hervor, dass vielen Spielern das konzentrierte, feinmotorische Agieren am Tisch hilft“, erklärt Timo Klein-Soetebier, Leiter des Forschungsgebiets Tischtennis an der Deutschen Sporthochschule Köln. „Man sieht es auch rein optisch, dass bei vielen Spielern während der Ballwechsel das Zittern weniger wird und die Motorik insgesamt flüssiger wirkt“, so Klein-Soetebier.
Viele Parkinson-Erkrankte berichten laut Klein-Soetebier außerdem davon, weniger Medikamente zu benötigen, wenn sie regelmäßig Tischtennis spielen. So auch Heike Schoven, die neben Elstner am Turnier teilnimmt und sich sicher ist, dass der Sport nicht nur ihre Symptome mindert, sondern sie auch vor der sozialen Isolation bewahrt hat. Denn in der ersten Zeit nach ihrer Diagnose habe sie sich sehr einsam gefühlt. Dann lernte sie Thorsten Boomhuis kennen, der ebenfalls Parkinson hatte.
Boomhuis war gerade erst mit dem Weltmeistertitel aus New York zurückgekehrt. Dort hatte er 2019 an der ersten Tischtennis-Weltmeisterschaft für Parkinson-Erkrankte teilgenommen und nicht nur den Titel mit nach Hause gebracht, sondern auch das Konzept. Anfang 2020 gründete er gemeinsam mit Harry Wißler den PingPongParkinson e.V. Heute hat der Verein über 1100 Mitglieder an 170 Stützpunkten, Tendenz wachsend.
„Das Ziel ist es nicht, sich auszuspielen, sondern gemeinsam zu versuchen, den Ball im Spiel zu halten“, erklärt Boomuis. Das Training sei nicht nur gut für die Fitness, sondern für viele Betroffene auch Selbsthilfe- und Austauschplattform. An Förderung und Finanzierung mangele es aber.
In der Halle in Düsseldorf mischt sich nun Aufregung mit Freude. Frank Elstner spielt die Bälle mittlerweile lockerer. Geht ein Ball daneben, ist das gar nicht schlimm. Im Mittelpunkt des Events steht nämlich eine andere Botschaft. „Mir geht es darum ein Zeichen zu setzen“, sagt Elstner. „Leute, macht Sport, wenn ihr krank seid!“
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